Elbenschswert
Herr. Er sollte gar nicht hier sein. Wenn er Euch
lästig wird, dann –«
»Schon gut«, sagte Lancelot. »Es ist ja nur ein kleiner
Hund. Er stört mich nicht.«
Tander zog eine Grimasse und lud den Weinkrug und
das Brotbrett vorsichtig vor ihm ab. »Ich weiß gar nicht,
warum dieses Vieh immer noch hier ist. Ich hatte gehofft,
dass er sich trollt, jetzt, wo es seinen Besitzer nicht mehr
gibt, aber ich werde ihn einfach nicht los.«
»Wem hat er gehört?«, fragte Lancelot. Behutsam setzte
er Wolf auf seinen Schoß, begann ihn mit der linken Hand
zu kraulen und legte die rechte so auf seinen Rücken, dass
Wolf nicht schon wieder an ihm hochspringen und ihm
das Gesicht abschlabbern konnte.
»Einem Jungen, der hier gelebt hat«, antwortete Tander.
»Was ist aus ihm geworden?«, erkundigte sich Lancelot.
»Er ist tot«, antwortete Tander. Dann sah er Lancelot
leicht verwirrt an. »Habt Ihr nichts darüber gehört? Er war
der Junge, der Artus das Leben gerettet hat.«
»Dulac, der Küchenjunge?«
Tander nickte. »Ja. Er hat hier gelebt und nur öfter auf
Camelot gearbeitet.«
»Ich habe gehört, er wäre Euer Sohn gewesen?«
Diesmal schüttelte Tander heftig den Kopf. »Aber nein,
er war nur ein Junge, den Artus eines Tages im Wald gefunden und hierher gebracht hat, damit ich ihn aufziehe.
Aber ich habe ihn behandelt wie meine eigenen Kinder. Er
war ein guter Junge, das könnt Ihr mir glauben. Ich war
nicht erstaunt, als ich gehört habe, was er getan hat. Es ist
schade um ihn, aber wir werden ihn nie vergessen.«
Du kannst sicher sein, dass du das nicht wirst, dachte
Lancelot. Er tat jedoch so, als interessiere ihn das Thema
nur am Rande, hörte auf Wolf zu streicheln und nahm ein
Stück Käse vom Brett. »Dann hat Artus Euch doch sicher
rufen lassen, als das Unglück geschah?«
Erneut schüttelte Tander den Kopf. »Nein. Es ging viel
zu schnell. Ich war nicht dabei, aber Artus hat es mir hinterher erzählt. Er hat den Dolch mit seinem eigenen Körper aufgefangen und er starb, noch bevor jemand ihm helfen konnte. Aber er hat ein würdiges Begräbnis bekommen. Das zumindest war Artus ihm schuldig.«
»Ja, sicher«, murmelte Lancelot. Er kaute eine Weile an
seinem Käse herum – er war alt und schmeckte wie gegerbtes Leder –, dann nahm er ein zweites, größeres Stück
und verfütterte es an Wolf, der es gierig hinunterschlang.
»Wenn dieser Hund einem so tapferen Jungen gehört hat,
dann solltet Ihr ihn behalten«, sagte er.
»Er ist nur ein unnützer Fresser, der nicht einmal Ratten
fängt«, erwiderte Tander, aber Lancelot schüttelte den
Kopf und beharrte:
»Ihr werdet ihn behalten und gut für ihn sorgen. Gebt
ihm einen warmen Platz hinter dem Ofen und das beste
Fressen. Wenn ich zurück bin, nehme ich ihn vielleicht
mit.«
»Herr?«, fragte Tander verwirrt.
»Ich finde, er ist ein lustiger kleiner Bursche«, sagte
Lancelot. »Vielleicht erinnert er mich an seinen Herrn und
daran, dass man nicht von hoher Geburt sein muss oder
ein Ritter oder König, um ein Held zu werden.«
Tander hütete sich, noch einmal zu widersprechen, aber
er blinzelte und sah Lancelot auf eine Art an, die ihm klar
machte, dass er nicht ein Wort verstanden hatte.
Lancelot streckte die Hand nach einem weiteren Stück
Käse aus, erinnerte sich gerade noch rechtzeitig an den
schlechten Geschmack des ersten und zog den Arm wieder
zurück. Vorsichtig setzte er Wolf zu Boden, dann stand er
auf und machte eine fordernde Handbewegung. »Habt Ihr
den Beutel fertig?«
Statt zu antworten drehte Tander den Kopf und brüllte so
laut nach seinem Sohn, dass man es vermutlich noch auf
Camelot hörte. Nur einen Augenblick später erschien Sander, einer seiner beiden missratenen Söhne, und brachte
ein zu einem Beutel geschnürtes rotes Tuch, das er seinem
Vater reichte. Tander riss es ihm aus den Fingern und versetzte Sander einen derben Fußtritt, als dieser sich nicht
schnell genug zum Gehen wandte. Lancelot sagte nichts
dazu, gab Tander im Stillen aber Recht bei dem, was er
vorhin behauptet hatte: Der Gastwirt behandelte seine eigenen Kinder genauso schlecht, wie er ihn behandelt hatte.
Wenn das alles hier vorbei ist, dachte er, dann werde ich
zurückkommen und noch einmal mit Tander reden. Nicht
weil er Rache wollte. Er verspürte kein Bedürfnis mehr,
sich zu rächen. Aber es gab da doch noch das eine oder
andere, worüber er mit ihm sprechen würde.
Sein schlechtes Gewissen meldete sich. Er stand
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