Elbenschswert
sich
Morgaine aufhält«, fuhr Artus nach einer Weile fort. »Es
ist ein verfluchter Ort. Ein Ort schwarzer Magie und böser
Geister und ein Ort, an den selbst der tapferste meiner
Ritter nicht gehen könnte.«
»Malagon«, vermutete Lancelot.
Artus nickte. »Ich würde ein Heer schicken, hätte es einen Sinn, aber alle Heere der Welt können die Mächte
nicht bezwingen, die Morgaines Rattenloch beschützen.
Ein einzelner Mann vermag es vielleicht. Aber nur vielleicht. Wahrscheinlicher ist, dass er diesen Versuch mit
seinem Leben bezahlen wird.«
»Ich werde gehen«, sagte Lancelot impulsiv. »Ich bringe
Lady Gwinneth zurück.«
»Wenn ich es könnte, ich würde Euch begleiten«, sagte
Artus müde. »Aber mein Platz ist hier. Ich kann mein
Volk nicht im Stich lassen, um ein einziges Leben zu retten. Nicht einmal das des Menschen, den ich mehr liebe
als alles andere auf der Welt.«
»Die Pikten«, vermutete Lancelot.
»Wir werden sie angreifen, noch bevor die Sonne untergeht«, bestätigte Artus. »Das ist unsere einzige Chance.
Wir müssen sie schlagen, wenn sie nicht damit rechnen
und bevor sie ihre Kräfte konzentriert haben. Und vielleicht schafft dieser Angriff auch genug Ablenkung für
Euch, um Malagon und das Tor zur Tir Nan Og zu erreichen.«
Es war das erste Mal, dass Artus so offen über die Insel
der Unsterblichen sprach. Lancelot hütete sich, nachzufragen oder eine entsprechende Bemerkung zu machen.
Dass Artus ein großes Geheimnis umgab und dass es etwas mit der Insel der Unsterblichen, den Elfen und irgendwie auch mit ihm, Lancelot, zu tun hatte, das war ihm
schon vor langer Zeit klar geworden. Aber bisher hatten
sie niemals über dieses Thema geredet, als handle es sich
um ein Geheimnis, das nur zwischen ihnen bestand und
das niemals ausgesprochen werden durfte, wollte man ihm
nicht seinen Zauber nehmen. Aber vermutlich war Artus
schon alles genommen worden, was man ihm nehmen
konnte.
Ohne ein weiteres Wort und ohne Abschied drehte sich
Lancelot um und ging.
Er verließ die Stadt Camelot noch vor Ablauf einer weiteren Stunde. Nach dem Gespräch mit Artus war er unverzüglich in sein Zimmer hinaufgeeilt, um Schild, Helm und
Waffengurt zu holen, und ohne mit irgendjemandem ein
Wort zu wechseln, in den Stall hinuntergegangen, wo das
Einhorn bereits ungeduldig auf ihn wartete. Als er es hier
zurückgelassen hatte, hatte er ihm die Schabracke und den
silbernen Panzer abgenommen und er hatte das Tier noch
am Morgen, bevor er zur Kapelle ging, eigenhändig gestriegelt und gefüttert.
Nun aber war es bereits wieder vollständig aufgezäumt
und trug Sattel und Schuppenpanzer. Lancelot wunderte
sich nicht darüber. Dies war vielleicht noch das kleinste
Geheimnis, das das Tier umgab, und seit er eine Herde
dieser Geschöpfe in ihrer angestammten Umgebung und
bei ihrem natürlichen Verhalten beobachtet hatte, war er
auch gar nicht mehr sicher, ob er all seine Geheimnisse
wirklich kennen wollte. Es verhielt sich mit dem Einhorn
so wie mit der Rüstung und dem Zauberschwert, das er
jetzt wieder an der linken Hüfte trug: Magie hatte zwei
Seiten und vielleicht war es nicht so einfach, wie die meisten dachten, nämlich dass es eine gute und eine böse Seite gab und man sie so ohne weiteres trennen konnte. Er
hatte mehr als einen Moment erlebt, in dem er Angst vor
dem Tier gehabt hatte, und er war bis jetzt nicht ganz sicher, ob das magische Geschöpf wirklich sein Freund war
oder vielleicht sein Feind.
Als er sich an diesem Morgen in den Sattel schwang,
dachte er jedoch nicht darüber nach, sondern ritt so schnell
aus dem Stall und dann vom Burghof, wie er nur konnte,
und schlug den direkten Weg zum Nordtor ein.
Camelot hatte sich verändert. Von der ausgelassenen
Stimmung war nichts mehr geblieben. Die Straßen waren
fast leer, als hätte das furchtbare Geschehen vom Morgen
die Menschen so erschreckt, dass sie sich wie verängstigte
Tiere in ihre Höhlen verkrochen hatten, und die bunten
Wimpel und Fahnen, die immer noch von den Dächern
wehten und aus Fenstern und über Türen hingen, kamen
ihm nun vor wie böser Spott. Die wenigen Menschen, denen er begegnete, wichen ihm hastig aus und senkten fast
angstvoll die Blicke.
Als er Tanders Gasthaus erreichte, glitt er aus dem Sattel
des Einhorns und band das Tier an einem der neuen Pfosten neben der Eingangstüre fest. Er eilte die drei Stufen
hinauf und stieß die Tür mit einem Ruck auf, dass sie gegen die Wand
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