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Elbenschswert

Titel: Elbenschswert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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krachte. Der Lärm musste im ganzen Haus
zu hören sein und es verging auch nur ein Augenblick, bis
die Verbindungstür zur Küche aufschlug und eine wütende
Stimme schrie: »Was zum Teufel –?«
    Tander brach mitten im Wort ab, als er sah, dass ein Ritter hereingekommen war. »Verzeiht, Herr«, sagte er hastig, während er mit kleinen nervösen Schritten näher kam
und dabei die Hände rang. »Ich habe Euch nicht erkannt.
Ich dachte, es wären wieder die Nachbarsjungen, die –«
    »Schon gut«, unterbrach ihn Lancelot. Er machte einen
weiteren Schritt in den Raum hinein und schloss die Tür
hinter sich, sodass Tander ihn nun genauer sehen konnte.
Tander trat unbehaglich von einem Fuß auf den anderen,
aber er sah ihn auch sehr aufmerksam an und der Zauber
der Rüstung tat auch jetzt wieder seine Wirkung: Obwohl
Lancelot keinen Helm trug und sie sich auf kaum drei
Schritte Entfernung gegenüberstanden, erkannte er ihn
nicht. Sein leicht verwirrtes Stirnrunzeln war vermutlich
allein auf die Tatsache seiner sichtbaren Jugend zurückzuführen. Die Kleidung eines Kriegers und die Waffe an
seiner Seite ließen ihn vielleicht ein wenig älter erscheinen, aber ein wenig älter bedeutete in seinem Fall immer
noch jung. Vermutlich überlegte Tander verwirrt, wie ein
Ritter, der sichtlich kaum älter als siebzehn oder achtzehn
Jahre sein konnte, bereits einen solchen Ruf errungen haben mochte, wie er Lancelot vorauseilte.
    »Verzeiht, Herr«, sagte er noch einmal. »Ich habe Euch
wirklich nicht erkannt.«
Lancelot schüttelte den Kopf. »Das macht nichts.« Er
sah sich nach allen Seiten um, wie um sich davon zu überzeugen, dass sie auch wirklich allein waren, und ließ in
einer wie zufällig aussehenden Geste die linke Hand auf
den Schwertgriff sinken, als er weiterging.
Tander folgte der Bewegung mit eindeutig nervösem
Blick und fuhr sich unsicher mit dem Handrücken über
das Kinn.
»Womit kann ich Euch dienen, Herr?«, fragte er.
Lancelot ging zu dem großen Tisch, zog einen der Stühle
mit dem Fuß zurück und ließ sich darauf fallen, ehe er
antwortete. »Bringt mir einen Becher Wein. Und dann
stellt mir Wegzehrung zusammen. Für zwei, sagen wir
drei Tage. Brot, Schinken … was Eure Küche eben hergibt.«
»Selbstverständlich«, sagte Tander hastig. Er entfernte
sich rückwärts gehend, machte erst auf halbem Weg kehrt
und floh regelrecht aus dem Gastraum. Lancelot konnte
ihn drinnen in der Küche herumschreien hören.
Vermutlich waren es seine beiden unglückseligen Söhne,
über die sich der Zorn ihres Vaters nun entlud.
Lancelot gönnte es ihnen.
Es war seltsam: Solange er sich erinnern konnte, hatte er
unter Tanders Launen gelitten, war von ihm herumgeschubst, ausgebeutet und nur zu oft grundlos verprügelt
worden, und er hatte sich genau die Situation, in der er
sich nun befand, unzählige Male vorgestellt. Dass er es
eines Tages sein würde, der hereinkam und Tander Befehle gab, dass er ihm jede Erniedrigung, jeden Schlag, jedes
böse Wort hundertfach zurückzahlen konnte. Nun war es
so weit und er empfand … nichts.
Ganz im Gegenteil – ihm war klar, dass er Tander einen
gehörigen Schrecken eingejagt hatte, ja vielleicht sogar
Todesangst, und er hatte fast ein schlechtes Gewissen bei
diesem Gedanken. Rache war eine wunderbare Vorstellung, eine, die einem oft genug als Letztes die Kraft gab,
eine schier unerträgliche Situation doch zu ertragen, wenn
auch nur als bloße Idee. War dann ihre Zeit gekommen,
dann brachte sie keinen Triumph – oder bloß einen billigen Triumph, der mehr Schaden als Nutzen hinterließ.
Ein schrilles Kläffen drang in seine Gedanken, und noch
bevor Lancelot richtig wusste, wie ihm geschah, flitzte ein
struppiger Schatten auf ihn zu, sprang auf seinen Schoß
und begann ihm mit einer rauen Zunge das Gesicht abzulecken. Wolf winselte und quietschte vor Freude, schlug
so schnell mit dem Schwanz, dass er kaum noch zu sehen
war, und Lancelot ließ seine reichlich nassen Liebesbezeugungen eine ganze Weile über sich ergehen, ehe er den
kleinen Hund vorsichtig nahm und ihn lachend mit ausgestreckten Armen von sich weghielt. Wolf ließ sich durch
die Magie der Rüstung offensichtlich nicht täuschen.
Die Tür ging auf und Tander kam herein, einen Krug
Wein in der rechten und ein hölzernes Tablett mit Brot
und Käse in der linken Hand tragend. Als er Wolf erblickte, runzelte er die Stirn und sagte hastig: »Werft den Köter
hinunter,

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