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Elbenschswert

Titel: Elbenschswert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Pferd sprach. Er befestigte Schild und Helm am
Sattelgurt, legte sich den Waffengurt an und schob die
Handschuhe aus dünnem, silberfarbenem Drahtgeflecht
darunter. Als er sich nach dem Schwert bücken wollte,
bemerkte er eine Bewegung aus den Augenwinkeln und
fuhr erschrocken herum. Sein Blick irrte zum Waldrand
über der Böschung.
Aber da war niemand. Die Bäume standen so dicht, dass
sie das Sonnenlicht beinahe verschluckten und der Wald
fast wie eine Mauer wirkte, und selbst der sanfte Wind
von heute Morgen war zum Erliegen gekommen, sodass
sich kein Zweig, kein Blatt bewegte.
Lancelots Herz begann zu klopfen. Vorsichtig, ohne den
Blick auch nur einen Sekundenbruchteil von der Stelle zu
wenden, an der er die Bewegung zu sehen geglaubt hatte,
bückte er sich nach dem Schwert und hob es auf, jeden
Moment darauf gefasst, von einem Pfeil oder einem heimtückisch geschleuderten Speer getroffen zu werden, aber
weder das eine noch das andere geschah. Und trotzdem
war er sicher, sich die Bewegung nicht nur eingebildet zu
haben. Da droben hatte eine Gestalt gestanden, einen
schlanke, dunkle Gestalt, beinahe nur ein Schatten, der für
einen Moment aus dem grauen Zwielicht des Waldes herausgetreten war und ihn beobachtet hatte … unheimlich.
Aber auch nur ein weiteres Rätsel, das er jetzt ebenso wenig lösen würde wie die Frage, warum die Pikten ihn verschont hatten.
Schaudernd wandte er sich um und ging wieder zu dem
grasenden Einhorn zurück. Bevor er in den Sattel stieg,
untersuchte er das Tier sorgsam auf irgendwelche Verletzungen, fand aber keine. Das Geschöpf bestand zwar aus
Fleisch und Blut wie er selbst, war aber auf seine Art fast
ebenso unverwundbar wie die Rüstung, die er trug, auch
wenn es blutete. Er schob das Schwert in den Gürtel, setzte den linken Fuß in den Steigbügel und verhielt dann
noch einmal mitten in der Bewegung.
Statt in den Sattel zu steigen, drehte er sich wieder herum und ging mit schnellen Schritten zu dem verwundeten
Pferd, das auf der anderen Seite der Lichtung graste. Das
Tier hob den Kopf und sah ihm aus ängstlich geweiteten
Augen entgegen, aber es schien nicht mehr die Kraft zu
haben, vor ihm davonzulaufen.
Lancelot verspürte einen tiefen Stich in der Brust, als er
die schlimme Schnittwunde sah, die es am rechten Vorderlauf hatte – der Anblick tat doppelt weh, als ihm klar wurde, dass niemand anders als er dem Tier diese Verletzung
zugefügt hatte. Beruhigend auf das Pferd einredend kam er
näher, ließ sich neben ihm auf die Knie fallen und untersuchte den Schnitt. Er verstand nicht allzu viel von Verletzungen, aber selbst ihm war klar, dass das Pferd den nächsten Morgen nicht mehr erleben würde. Die Wunde blutete
immer noch, obwohl es lange her war, dass er sie ihm geschlagen hatte, das Pferd zitterte am ganzen Leib und war
schweißbedeckt.
Lancelot fühlte sich schuldig. Dieses Tier hatte nichts
anderes getan als seinem Herrn zu dienen und ihm vermutlich treu zu sein und der Dank war ein qualvoller, einsamer Tod.
Erst als er diesen Gedanken gedacht hatte, wurde ihm
klar, wie absurd er war. Absurd und grausam. Natürlich
verdiente das Pferd sein Mitleid – aber es war noch nicht
lange her, da hatte er mehrere Menschen getötet, die ihm
ebenso wenig getan hatten und die auf ihre Art nichts anderes verbrochen haben mochten als dieses unglückselige
Tier, nämlich ihrem Herrn zu dienen und seine Befehle
auszuführen. In diesem Moment hörte Lancelot ein gedämpftes Stöhnen. Erschrocken fuhr er hoch und legte die
Hand auf das Schwert, aber auch diesmal sah er niemanden und glaubte schon fast sich auch diesen Laut nur eingebildet zu haben, als dieser sich wiederholte, etwas deutlicher jetzt und so, dass er die Richtung feststellen konnte,
aus der er kam. Lancelot zog seine Waffe nicht, bewegte
sich aber äußerst vorsichtig den Weg hinunter und auf die
Biegung zu, hinter der er vorhin selbst hervorgekommen
war.
Unmittelbar hinter der Wegbiegung lag ein verendetes
Pferd, sein Reiter war unter ihm eingeklemmt, verwundet
und hilflos, aber offensichtlich noch am Leben.
Obwohl er schwer verletzt war, versuchte er verbissen
sich unter dem toten Tier hervorzuarbeiten. Lancelot
wusste im ersten Moment nicht, was er tun sollte. Das war
einer der Männer, die ihn vor wenigen Augenblicken am
liebsten noch zu Tode geprügelt hätten, aber er empfand
keinen Hass, geschweige denn Zufriedenheit, ihn in dieser
verzweifelten Lage zu sehen. Der

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