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Elbenthal-Saga Bd. 1 - Die Hüterin Midgards

Elbenthal-Saga Bd. 1 - Die Hüterin Midgards

Titel: Elbenthal-Saga Bd. 1 - Die Hüterin Midgards Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ivo Pala
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lassen.
    »Los«, sagte er. »Damit wir Wargo noch rechtzeitig finden.«

TEIL 8
    OPFER

58
     
    Erzgebirge – Fichtelberg
    Südlich des Gipfels, auf dem das neugebaute Fichtelberghaus steht, liegt inmitten des dichtesten Waldes, mit Blick auf Tschechien, die uralte und heute von den Menschen längst vergessene Ruine der früheren Burg Laurins. Das zerfallene Mauerwerk wurde in Jahrhunderten von Schnee und Eis so glatt geschliffen, dass auch der aufmerksamste Beobachter es für natürlichen, wenn auch seltsam angeordneten Fels halten musste. Falls es ihm überhaupt gelingen würde, lebend in diesen Teil des Waldes zu gelangen oder gar wieder heraus. Die Magie, die diesen Ort beschützt, ist noch um einiges älter und mächtiger als die, die das Albion umgibt, und sogar noch stärker als jene auf dem Brocken im Harz – Laurins zweiter großer Burg in Midgard. Im Herzen des heute kaum noch als Fünfeck erkennbaren Grundrisses der ehemaligen Festung steht ein steinerner Monolith – eine säulenartige Felsnadel von neun Metern Höhe. Sie ist neben der Zentralsäule in der Krypta der Michaeliskirche in Fulda die einzige Irminsul des Landes, die das missionierende Wüten Karls des Großen und seiner Nachfolger vor mehr als zwölfhundert Jahren überstanden hat. Hierher hatte Laurin Svenya gebracht.
    In einem weiten Kreis um die Säule standen etwa drei Dutzend Dunkelelben und noch einmal halb so viele Mannwölfe – allesamt bis an die Zähne bewaffnet. Obwohl sie hier waren, um das Terrain zu sichern, waren ihre Blicke die meiste Zeit nach innen gerichtet, wo zwei von Laurins Helfern Svenya gerade an die Irminsul fesselten, während zwei andere den am Boden knienden Gerulf bewachten.
    In etwa drei Meter Höhe waren in einem Abstand von vier Ellen zwei eiserne Ringe an dem Monolithen angebracht. Von da aus hingen Ketten herab – je eine für Svenyas Handgelenke, und zwei liefen von links und rechts mittig an einem Reif zusammen, der ihr jetzt um den Hals gelegt wurde. Das Eisen brannte nicht, weil sie keine offenen Wunden hatte, doch es war warm auf ihrer Haut, und Svenya spürte, wie es ihr die Kräfte absaugte.
    Weiter abseits stand eine umwerfend schöne junge Frau mit langen, rehbraunen Locken. Der Blick, mit dem sie Svenya eindringlich musterte, war kalt – wenn nicht gar feindselig … und in den Momenten, in denen er von Svenya weg und hin zu Laurin schweifte, in höchstem Maße argwöhnisch. Vor allem aber triefte er vor Eifersucht – auch wenn Svenya sich überhaupt nicht vorstellen konnte, warum.
    Laurin selbst war damit beschäftigt, mehrere hölzerne Kästchen auf einem steinernen Altar in der Nähe der Säule zu arrangieren und sie unter Anwendung gemurmelter Zaubersprüche eines nach dem anderen zu öffnen. Svenya erkannte einen Dolch, der aussah, als stammte er aus der Steinzeit. Seine beiden Schneiden waren schartig ausgeschlagen, und zwei Drittel der Klinge waren dunkel gefleckt wie von uraltem Blut. In dem zweiten der Kästchen lag ein langes, schmales Band aus geflochtenem, schwarzem Haar. Anders als der Dolch schien es ganz frisch zu sein, so als wäre es gerade erst abgeschnitten worden. Laurin nahm es in die Hände und streichelte es beinahe liebevoll, ehe er es auf seinen vorgesehenen Platz legte. Das dritte Kästchen enthielt eine gläserne Phiole mit einer roten Flüssigkeit, die nach Blut aussah, das vierte einen aus einem Wirbelknochen geschnitzten Ring, auf dem Runen eingraviert waren, und das fünfte schließlich ein graubraunes Stück Gewebe, das Svenya erst auf den zweiten Blick als das erkannte, was es war: ein völlig verdorrtes, ausgetrocknetes Herz.
    Nachdem Laurin alle fünf Gegenstände auf ihren Platz gelegt hatte, schloss er die Kästchen in der Reihenfolge, in der er sie geöffnet hatte, und räumte sie vom Altar. Trotz seiner akkuraten und zielstrebigen Bewegungen machte er dabei einen völlig gelassenen, ja zufriedenen Eindruck. Die Dinge schienen zu laufen, wie er sie geplant hatte.
    Obwohl sie nach außen Nervosität und Angst ausstrahlte, war Svenya die Ruhe selbst. Sie rechnete ganz fest damit, dass jeden Moment die Verstärkung auftauchen würde, die Yrr inzwischen organisiert haben musste, und es fiel ihr schwer, nicht nach ihr Ausschau zu halten, weil sie befürchten musste, sie dadurch zu verraten.

59
     
    Hagen lenkte Stjarn weiträumig um den Gipfel des Fichtelbergs. Er wusste, wo das Ritual stattfinden würde, und kannte das Terrain. Er selbst hatte

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