Elbenthal-Saga Bd. 1 - Die Hüterin Midgards
Leben zu opfern bei dem Versuch, sie zu befreien, so wenig glaubte sie an den Erfolg eines solchen Unterfangens. Aber vielleicht konnte Svenya ihr die Gelegenheit verschaffen, Verstärkung zu organisieren.
»Ich gehe keinen Schritt weiter«, sagte sie zu Laurin, »ehe du mir nicht sagst, was du mit mir vorhast.«
»Ich werde deine Macht dazu benutzen, ein zweites Tor nach Alfheim zu öffnen.«
»Ein zweites Tor?«
Er nickte. »Mithilfe eines alten Rituals.«
Seine Antwort warf jede Menge Fragen auf – doch die mussten warten.
»In Aarhain?«, fragte Svenya lauernd.
Er stutzte, und sie hätte sich fast auf die Zunge gebissen. Ihre Fragen waren ein wenig zu direkt gewesen, zu plump. Sie hatte ihn förmlich mit der Nase darauf gestoßen, dass sie die Informationen für jemand anders abfragte. Und tatsächlich – Laurin hob den Kopf und scannte mit seinem Blick die Umgebung. Aber Yrr war nicht mehr zu sehen. Laurin entspannte sich wieder.
»Nein, nicht in Aarhain«, sagte er. »In einer alten Ruine direkt darüber. Meiner früheren Burg.«
»Was ist das für ein Ritual?«
»Das wirst du sehen, wenn wir da sind.« Er nickte zweien seiner Männer zu. Sie packten Svenya an den Armen und verfrachteten sie in den Helikopter.
55
Elbenthal
Noch bevor Laurins Helikopter zehn Meter Höhe erreicht hatte, war Yrr zurück in Elbenthal und rauschte in Hagens Quartier, wo er gerade mit einer Doppelblattaxt Zielwerfen trainierte. Sein Blick war ungehalten – offenbar war die Waffe kein Ersatz für den Speer, den Svenya ihm abgeluchst hatte. In knappen Worten schilderte Yrr, was geschehen war.
»Was?!«, brüllte er.
»Ich kam, so schnell ich konnte.«
»Wie konnte das passieren?«
»Das werden wir noch herausfinden müssen.«
»Du hättest mich direkt alarmieren sollen, als du ihr Verschwinden entdeckt hast«, bellte Hagen so aufgebracht, wie sie ihn bisher selten erlebt hatte. »Gemeinsam hätten wir Svenya da raushauen können!«
»Wenn ich nicht augenblicklich ihre Spur aufgenommen hätte, hätte ich sie nicht mehr rechtzeitig gefunden, und wir wüssten jetzt überhaupt nicht, wo sie ist«, gab Yrr nicht weniger barsch zurück. »Ich musste eine Entscheidung fällen und würde es jederzeit wieder ganz genauso machen.«
Er anerkannte mit einem Nicken, dass sie recht hatte, und riss sich sichtlich zusammen. »Konntest du wenigstens irgendetwas über die Natur des Rituals herausfinden?«
»Nur wo es stattfindet und dass es ein Tor nach Alfheim öffnen soll.«
»Dann los!«, entschied Hagen. »Wir haben nicht viel Zeit.« Er nahm Yrr bei der Hand und zog sie zwei Schritte nach vorne. Die beiden durchquerten eine unsichtbare Pforte, die er unvermittelt geschaffen hatte, und materialisierten im gleichen Augenblick in Alberichs Privatgemächern, wo der Elbenkönig gerade mit kummervollem Gesicht über einem Pergament saß und eine letzte Notiz auf ein zweites machte. Er schaute alarmiert auf – Alberich wusste, wenn Hagen unangemeldet und ohne zu klopfen auftauchte, gab es ein Problem, das keinen Aufschub erlaubte.
»Laurin hat Svenya«, begann Hagen, und Yrr fasste noch einmal schnell zusammen, was passiert war.
»Ich werde augenblicklich zwei Hundertschaften zusammenstellen und nach Aarhain ziehen, um sie zu befreien«, sagte Hagen.
»Ich fürchte, das kann ich nicht erlauben, mein Sohn«, antwortete Alberich.
Hagen schaute den alten König an, als hätte ihn der Blitz getroffen. »Er hat Svenya, Vater«, sagte er noch einmal, so als glaubte er, Alberich hätte ihm und Yrr nicht zugehört.
»Das habe ich verstanden«, gab Alberich sanft zurück. »Und es zerreißt mir das Herz. Aber ich kann dir zum jetzigen Zeitpunkt nicht erlauben, Truppen von hier abzuziehen – nicht einmal zweihundert Mann.«
Er reichte Hagen eines der beiden Pergamente.
»Was ist das?«, fragte Hagen.
»Die Nachricht, die der Wyrm bei sich hatte«, erklärte Alberich. »Wir haben sie endlich entzaubert und dechiffriert.«
Hagen las. »Sie wollen das Tor von Alfheim aus angreifen, und Laurin soll für eine Ablenkung sorgen, damit wir unsere Streitkräfte teilen müssen?«
Yrr fühlte, wie ihr die Farbe aus dem Gesicht wich.
»Wann?«, fragte sie.
»Darüber sagt die Botschaft nichts«, antwortete Alberich. »Oder der Termin ist so gut in ihr versteckt, dass wir ihn bisher noch nicht entschlüsseln konnten. Allem Anschein nach aber steht er noch heute Nacht bevor, und Laurin benutzt Svenya nur für ein
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