Elbenzorn
was bezweckt er damit?«
»Vielleicht, dass alle nach einer starken Hand schreien werden, wenn erst einmal Krieg und Chaos herrschen? Wenn die Zwerge uns angreifen, um unserem Angriff zuvorzukommen, und wenn gleichzeitig hier im Wandernden Hain die Dinge außer Kontrolle geraten – wenn dann ein entschlossener Elb nach dem Thron greift, könnte er Erfolg damit haben.«
»Das klingt nicht sehr wahrscheinlich«, gab Olkodan zu bedenken. »Zu viel ›könnte‹ und ›vielleicht‹.«
Iviidis nickte müde. »Wir wissen einfach zu wenig«, gab sie zu. »Ich bin froh, dass wir bald mit Glautas darüber sprechen können. Er wird wissen, was unternommen werden muss.«
Sie saßen noch eine Weile schweigend nebeneinander, hielten sich an den Händen und hingen ihren Gedanken nach. Dann gähnte Olkodan und murmelte: »Ich kann kaum noch die Augen aufhalten. Lass uns zu Bett gehen.«
Iviidis erhob sich und reichte ihm die Hände. »Du musst schrecklich müde sein nach deiner Reise«, sagte sie. »Es tut mir leid, dass ich daran nicht gedacht habe. Komm, morgen ist auch noch ein Tag.«
Sie gingen Arm in Arm hinein, und Iviidis’ Kopf lehnte an seiner Schulter.
Olkodan stand da, nur in ein Paar leidlich saubere Hosen gekleidet, und drehte und wendete unschlüssig seine beiden gleichermaßen zerknitterten Hemden in den Händen. Er sah Iviidis an und schnitt eine Grimasse. »Ich fürchte, die haben die Reise nicht gut überstanden«, sagte er.
Iviidis musterte die Hemden kritisch. »Du hast recht«, sagte sie. »Wenn du Vater darin unter die Augen trittst, wird er mich gleich wieder bedeutungsvoll ansehen, und ich werde leider genau wissen, was er denkt.« Sie lächelte, als sie Olkodans Miene sah. »Glautas ist wieder zu Hause und will mit uns essen. Ich habe mir aber gedacht, dass du etwas anzuziehen brauchst, und habe dir schnell ein paar Sachen besorgen lassen«, sie deutete auf einen kleinen Korb, der neben dem Bett stand. »Schau mal, was dir davon gefällt.«
Olkodan breitete die Kleidungsstücke auf dem Bett aus und verzog das Gesicht. »Ich werde aussehen wie ein Idiot«, murmelte er.
Iviidis erstickte seinen halbherzigen Protest mit einem Kuss. »Du wirst standesgemäß aussehen und nicht wie ein Vagabund, ganz wie es sich für meinen Ehemann gehört. Und Vater wird sich ärgern«, sagte sie vergnügt. »Komm, sei ein braver Ehemann. Ich hätte dir noch sehr viel prächtigere Kleider bringen lassen können.«
Olkodan schauderte. »Ich danke dir von Herzen«, murmelte er und begann sich anzukleiden.
Als er schließlich vor dem Spiegel stand, musste er zugeben, dass die ungewohnt elegante Kleidung ihm gut zu Gesicht stand. Iviidis schien dasselbe zu denken, denn sie lächelte zufrieden und begann, seine störrischen Locken mit Wasser und Kamm zu bändigen. Sie band ihm einen kurzen Zopf, den sie mit einem dunkelgrünen Samtband im Nacken zusammenhielt.
»Sehr – hübsch siehst du aus«, sagte sie und tätschelte anzüglich seinen Po in der eng sitzenden Leinenhose.
Olkodan drehte sich zu ihr um und umfasste ihre Taille. »Du auch«, sagte er und küsste sie. »Und wenn du das noch mal machst, ziehe ich alles wieder aus und dich gleich mit.« Er grinste. Iviidis wand sich aus seinem Arm und warf ihm einen Handkuss zu. »Ich komme später gerne auf dein Angebot zurück.« Nüchtern fügte sie hinzu: »Eine Jacke brauchst du nicht, es ist ein Essen im engsten Familienkreis. Ich habe Glautas gebeten, dass wir danach allein mit ihm sprechen können, es sei dringend.« Sie lachte auf. »Wahrscheinlich denkt er, ich will ihm eröffnen, dass ich mich endlich von dir trenne. Er wird enttäuscht sein.«
Olkodan lächelte ein wenig gequält. »Für deinen Vater bin ich doch sowieso eine einzige Enttäuschung«, sagte er.
»Na und?«, erwiderte sie. »Ich wäre unglücklich ohne dich. Glautas wird sich noch daran gewöhnen, wenn wir erst einmal wieder …« Sie unterbrach sich.
Olkodan horchte auf. »Wenn wir erst einmal wieder – was?«
»Nichts«, sagte Iviidis und wandte den Blick ab.
»Was?«, insistierte er.
Iviidis seufzte. »Ich glaube, ich möchte wieder zurück in den Sommerpalast«, gab sie zu. »Es ist sehr schön mit dir da draußen. Friedlich und ruhig, und es war gerade richtig, um die Aufregung um unsere Heirat sich beruhigen zu lassen. Aber ich brauche meine Arbeit hier. Ich habe gar nicht bemerkt, wie sehr ich sie vermisst habe. Aber, Liebster, darüber wollte ich jetzt nicht mit dir reden.
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