Elbenzorn
„Was hast du vor?“
Trurre seufzte. „Snorre, es wird dir nicht gefallen“, sagte er. Er beugte sich vor und erläuterte leise mit wenigen Worten, wie er sich den Kampf vorstellte.
Snorrgald lauschte mit versteinerter Miene. Als Trurre geendet hatte, schüttelte er nur den Kopf.
„Ich habe ja gesagt, dass es dir nicht gefallen wird“, sagte Trurre.
Snorrgald legte die breiten Hände auf den Tisch und starrte sie an, als hätte er sie nie zuvor gesehen. „Du wirst damit alles noch viel schlimmer machen“, sagte er.
„Es ist, wie es ist“, erwiderte Trurre gleichmütig. „Schlimmer als die Gerüchte, die über mich kursieren, kann die Wirklichkeit gar nicht sein. Orrins Geduld, Snorrgald, ich habe gestern mit fast allen gesprochen, die bei dem Treffen dabei waren. Ich habe Geschichten über mich gehört, dass sich mir die Haare gesträubt haben. Ich fresse Zwergenkinder bei lebendigem Leib, wusstest du das?“
Snorrgald schüttelte immer noch den Kopf. „Du solltest keine Witze darüber machen. Wenn Eirik hört, was du unter seinen Augen in den Mauern der Burg treibst, wird er dich hinrichten lassen.“
Trurre schlug auf den Tisch und seine Augen blitzten vor Zorn. Snorrgald wich ein wenig zurück. „ Eirik wird mich hinrichten lassen? Ist es schon so weit gekommen? Wer ist der König der Zwergensippen, Snorrgald? Eirik Hammerstirn?“
Snorrgalds breite Schultern sanken herab. „Trurre, du weißt nicht, was hier vor sich geht“, sagte er leise. „Eirik hat faktisch die Macht übernommen. Hat deine Schwester dir denn nichts davon gesagt?“
Trurre biss die Zähne zusammen, bis sie knirschten. „Sie hat mir einiges erzählt“, sagte er grimmig. „Aber so langsam begreife ich erst, was es wirklich bedeutet.“
Er stieß seinen Teller zurück und stand auf. „Ich muss ein paar Schritte laufen“, sagte er. „Begleitest du mich nachher zum Kampf?“
Snorrgald nickte, und Trurre ging hinaus. Er stand eine Weile auf seinen Stock gestützt vor der Tür und blickte sich um. Er war in der Kronburg aufgewachsen und kannte jeden Winkel und jeden Stein des alten Gemäuers und jeden Gang und jeden Stollen darunter – aber einen Augenblick lang erschien ihm alles fremd. Das graue Mauerwerk ragte abweisend in den kaltblauen Himmel und tiefe Schatten lagen zwischen den Mauern. Trurre hörte das Klirren von Eisen, klingende Hammerschläge und das Wiehern und Stampfen eines Pferdes. Die Schmiede lag am anderen Ende des großen Hofes, vor ihrer Tür standen zwei breitgebaute Rösser, kauten auf ihrem Zaumzeug und ließen geduldig die Köpfe hängen. Aus dem Küchentrakt drangen laute Stimmen, Gelächter und das Klappern von Töpfen, anscheinend hatte die Schicht der Küchenhilfen begonnen.
Trurre atmete tief ein und schloß die Augen, um all die Geräusche aufzunehmen. Die Fremdheit, die er kurz empfunden hatte, schwand, und er fühlte sich wieder wie der halbwüchsige Zwerg, der sich mit seinen Kumpanen in die Vorratskammern geschlichen hatte, um dort etwas zu essen zu stibitzen.
Aus dem Waffenhof schallten Rufe, stampfende Schritte und das Klirren von Äxten herüber. Wahrscheinlich hatte der Waffenmeister eine Gruppe von jungen Zwergen zum Training antreten lassen. Trurre erinnerte sich daran, wie Snorrgald ihn damals über den Hof gehetzt hatte, sich nie zufrieden gab mit seiner Leistung und ihn ständig anstachelte, mehr zu geben. „Du kannst dich nicht darauf ausruhen, Groffins Sohn zu sein“, hatte er ihm eingeschärft. „Du musst besser sein als die anderen, denn du wirst dich früh genug gegen Feinde wehren müssen.“ Und dann hatte er ihn erneut angegriffen und gezwungen, sich gegen seine harten, schnellen Schläge zur Wehr zu setzen.
„Was machst du hier? Schläfst du im Stehen?“, fragte die Stimme seiner Schwester. Trurre öffnete die Augen und blinzelte in den hellen Sonnenschein. Torill stand vor ihm, die Hände in die Seite gestützt, und sah ihn mit schiefgelegtem Kopf an.
„Du siehst müde aus“, sagte Trurre.
„Ich hatte eine anstrengende Sitzung mit dem König und seinen Beratern“, sagte sie. „Jetzt essen die Herren etwas und ich habe mich entschuldigt, weil ich nach dir sehen wollte.“ Sie hakte ihn unter und ging mit ihm durch den Durchgang zum Inneren Hof. „Wie hat dir dein konspiratives Treffen gestern Nacht gefallen?“
Trurre sah sie an. „Warum fragst du?“, fragte er.
Sie lächelte schwach. „Jeder weiß von diesen Treffen. Der Name jedes einzelnen
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