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Elbenzorn

Elbenzorn

Titel: Elbenzorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Gerdom
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Sondiererin?«, fragte sie beinahe anklagend.
    Iviidis seufzte leise. Es gab immer wieder Elben, die kein Vertrauen zu den Sondierern hatten oder sogar Angst vor ihnen. »Ja, das bin ich«, sagte sie in besänftigendem Ton. »Du klingst besorgt. Hast du schlechte Erfahrungen mit einem Sondierer gemacht?«
    Broneete sah ihr nicht in die Augen. »Ich bin einmal sondiert worden«, sagte sie steif. »Es war nicht angenehm, aber sie hat mir nichts Übles zugefügt.«
    »Warum hätte sie das auch tun sollen?«, fragte Iviidis. Sie nahm Broneetes Arm und führte die etwas Widerstrebende zu einer Laube hinter dem Haus. »Komm, erzähl mir davon«, bat sie und zog Broneete neben sich auf die Bank. Die Laube war dicht bewachsen und bot einen guten Schutz gegen Blicke.
    Die Gardistin saß steif aufgerichtet da und war sichtlich darauf bedacht, Iviidis nicht versehentlich zu berühren und sie nicht anzusehen.
    Iviidis hob bewusst langsam die Hand und drehte das Gesicht Broneetes zu sich. Die Gardistin zuckte zuerst zurück, dann ließ sie die Berührung zu und hob auch den Blick, um Iviidis anzusehen. Ihre Augen spiegelten gleichzeitig Furcht und Ärger wider.
    »Es ist dumm«, sagte sie heiser. »Ich habe schon als Kind Angst davor gehabt, dass mir ein anderer meine innersten Gedanken stiehlt. Aber du bist immer so freundlich zu mir, und ich war unhöflich …«
    »Sei still«, sagte Iviidis sanft. »Du musst dich nicht entschuldigen, aber du solltest auch keine Angst vor mir haben. Ich würde nie deine Gedanken stehlen – das würde kein Sondierer jemals tun.«
    Broneete nickte zweifelnd. Dann holte sie tief Luft und erzählte Iviidis von ihrer Wache vor Horakins Tür, seiner Ermordung und der darauf folgenden Befragung.
    »Du hast diese schreckliche Tat miterlebt, und Zinaavija hat dich sondiert?« Iviidis griff aufgeregt nach Broneetes Hand, und die Gardistin entzog sich ihr nicht. Sie nickte.
    »Was hat sie gesehen?«
    »Nichts«, sagte Broneete. »Sie sagte, da wäre nichts gewesen. Genau wie ich auch ausgesagt hatte.«
    Iviidis zog die Unterlippe zwischen die Zähne und blickte Broneete grübelnd an. Die Gardistin verzog das Gesicht.
    »O nein«, sagte sie energisch. »Ich kann sehen, was du denkst, han-Ttai . Nein, ich werde dich nicht in meiner Erinnerung herumwühlen lassen!«
    »Du würdest mir damit einen sehr, sehr großen Gefallen tun«, sagte Iviidis eindringlich. »Du weißt, ich beschäftige mich mit den Dunklen …«
    »Ich verstehe nicht, wieso du das tust. Mir würde das schlechte Träume machen«, sagte Broneete heftig. »Ich werde jetzt noch manchmal wach und frage mich, warum ich noch lebe. Der Dämon hätte mich ebenso töten können wie den Kommandeur. Nein, han-Ttai , nimm es mir nicht übel, aber ich kann dir nicht helfen. Ich will es nicht!«
    Sie machte Anstalten sich zu erheben, aber Iviidis hielt sie zurück. »Warte, Broneete«, sagte sie leise.
    Sie hob die Hand an den Mund und überlegte. Würden die Erinnerungen der Gardistin ihr etwas nützen? Rutaaura hatte sie gebeten, nach allem Ungewöhnlichen Ausschau zu halten – und was war ungewöhnlicher als die Ermordung des Kommandeurs der Garde durch einen Dunklen Elben? Aber Zinaavija hatte Broneete sondiert und nichts gefunden – und warum hätte sie das sagen sollen, wenn es nicht stimmte?
    »Ich werde nichts von dir verlangen, ohne dir gleiches Vertrauen zu schenken«, sagte sie. »Ich will dir ein Geheimnis anvertrauen. Aber nicht hier und nicht jetzt. Komm heute nach dem ersten Abendruf in mein Zimmer. Willst du das tun?« Broneete willigte zögernd ein.
    Auf ihrem Weg zum Archiv war Iviidis in Gedanken verloren. Die plötzliche Eingebung, Broneete von ihrer Schwester zu erzählen, erschien bei näherer Überlegung allzu leichtsinnig. Niemand wusste von dem Geheimnis ihrer Familie, und ganz sicher war Glautas nicht erpicht darauf, dass ein Mitglied der Elbengarde davon Kenntnis bekam. Wenn Broneete sich als weniger diskret erwies, als Iviidis annahm, würde das Gerücht von Glautas’ dunkler Tochter sich unweigerlich verbreiten wie Tinte in einem Wasserglas.
    Sie schob den Gedanken erst einmal beiseite, als sie im Archiv eintraf. Der Aufstieg bis zum Eingang der Baumhöhle war schnell geschehen, sie tastete sich die letzten Schritte durch die undurchdringliche Dunkelheit und schob dann den Vorhang zu Alvydas’ Quartier beiseite.
    Der Elb saß in seinem Lehnstuhl und war in die Betrachtung eines hellen Kristalls versunken. Er blickte

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