Elchmus (German Edition)
deswegen wird der Einkauf schon für eine halbe Ewigkeit reichen. Die noch leere Rückbank hat sich freiwillig als loser Platzhalter angeboten, denn Plastiktüten gehen echt nicht.
Zur Belohnung gönnen sich dann beide ein Fahrbier. „Cheers“ , lacht Ralf und stößt typisch englisch nicht an. „Cheers“, sagt Elke und lässt sich tief in den Sitz reinplumpsen. Hoch oben im Himmel lachen die Möwen, schweben weiß und elegant durch die Lüfte. Lebendige Zeugen dafür, dass das Leben leicht und schön sein kann. Auch wenn das Bankkonto leer und kein Job in Sicht ist.
Ein paar Kilometer weiter hält Ralf an einer kleinen Bucht. Fernab der beliebten Spielhöllen und Bingohallen. Fernab des Trubels. Er will das Meer genießen. Und muss auch mal pissen. Pinkelt dann aber doch nicht an den Baum. Als er wieder ins Auto steigt, grinst er breit „Willkommen zu Hause. Optimaler Zeltplatz, Ingo. Bingo“. Und baut das Zelt in pink direkt unter dem Baum auf, während er sich erneut zu seiner Frau gratuliert, und dies dann auch laut mitteilt. „Traumurlaub ist das. Strand und Perle und Bier, das perlt“.
Elke lacht und öffnet zur Feier des Richtfests eine Flasche Sekt. „Cheers“, sagt sie erneut und fragt nach ein paar Schlücken ganz direkt „Was machste eigentlich so im richtigen Leben?“, und lehnt ihren Rücken dabei an seinen. Sie will ihm jetzt nicht ins Gesicht sehen. Nur zuhören, und dabei gemütlich ein paar Schluck trinken. Noch ist sie nicht blau. „Ach, nix besonderes. Bin bei Opel. Mach an Autos rum und so,“ sagt Ralf „Hab ich gemacht“, sollte ich sagen.
Elke fragt lieber nichts. Kuschelt sich weiter an seinen Rücken. „Hm. Ich habe übrigens in Dortmund studiert, aber im Münsterland gewohnt“ , lacht sie ganz verlegen. Ralfs Rücken schüttelt sich, ebenfalls vor Lachen.
„Ich muss mal“ , sagt Elke ein paar Sekunden später und läuft schon wieder nicht weg. Dann sitzt sie wieder im Gras und berührt dieses Mal mit ihren Füßen seine Füße. Er hat mittlerweile ganz gut die Lampen an. Noch ein, zwei Schlücke Sekt, und dann wird er ihr von sich erzählen, oder besser gesagt von der Entführung. Sekt macht ihn immer direkt besoffen. „Okay, pass mal auf“, sagt er dann auch endlich ganz mutig. Mit der Entführung. Das war so,“ und versucht dabei den richtigen Ton zu finden.
Und Elke hört ganz gespannt zu. „Die Waffe, die, die habe ich am Bahnhof Waterloo in London in einer Toilette gefunden. Wir waren auf dem Weg nach Twickenham. Zum Rugby-Spiel. Holger, der Trottel, geht ohne unsere Tasche in die beschissene Raucherecke. Ich war Alibi-Kacken bei McDonalds, brauchte mal ein paar Minuten für mich. Was Holger angeht, der kann echt ganz schön nerven, wenn man ihn den ganzen Tag um sich hat. Ist aber trotzdem mein bester Kumpel“.
„Klar, kenn ich“, sagt Elke, so als ob Ralf sie gefragt hätte.
Dieser erzählt weiter. „Ein paar Minuten später war ich wieder am Bahnsteig. Mit gefundener Waffe. Tasche und Holger weg“. Irgendwann kommt Holger wieder. Ohne Tasche. Wir haben es aber erst geblickt, als der Zug einfuhr. Klamotten weg und Knete weg. Den Rest der Geschichte kennst du ja. Wir brauchten Geld und...“.
Elke springt auf. Sie hat genug gehört. Der nackte Rücken und die nackten Zehen und das Rauschen des Meeres holen auch Ralf in die Gegenwart zurück.
Die immer noch strahlende Sonne lacht ihn an und drückt noch immer Schweiß aus seinen Poren. Es tut so gut, und fühlt sich so richtig an, diese Geschichte zu erzählen. Sie will auch was sagen, will aber nicht alles kaputt machen und sagt daher lieber gar nichts. Es ist ja eh alles vorbei.
Unruhig ist sie trotzdem. Auch Ralf kann jetzt nicht mehr stillsitzen, muss irgendwas tun. „Los, lass uns Holz sammeln gehen“.
Und auch Elke rennt los, als hätte sie eine Horde wilder Tiere aufgeschreckt. Sie atmen die milde Wiesenluft ein, die hier in England so schön salzig schmeckt.
Es dämmert inzwischen und kurze Zeit später sind sie wieder am Zelt. Soll sie ihm beim Feuermachen helfen? Oder fühlt er sich dann gleich entmannt? Wer weiß, wie er auf sowas reagiert?
Sie macht das Auto auf, holt die Zeitung raus und wirft einen kurzen Blick auf die Titelseite. Die schmückt natürlich auch heute William und Kate. Und sie ist im selben Land. Und damit am richtigen Ort zur richtigen Zeit. Die Hochzeit findet in genau einer Woche statt. Genügend Zeit für das Rosamunde Pilcher Land bliebe damit. Wie Ralf das
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