Elchmus (German Edition)
wohl findet? Aber das interessiert sie überhaupt nicht. Er muss da mit hin. Jawohl, das ist er ihr schuldig. Sie hält ihm die Zeitung vor die Nase und sagt ganz bestimmt „Da fahren wir hin“.
Er ist der Meinung, dass das ein Frauenevent ist, schluckt aber jeglichen Widerstand runter. Er wird den Tag schon irgendwie überleben. Immerhin ist das Ganze in London und er ist mit seiner Traumfrau dabei. Und Elke wird London dann nicht mehr in schlechter Erinnerung haben.
Deren Gedanken sind schon bei Kate Middleton. Bald wird diese königliche Verpflichtungen haben. Ist schließlich ihr eigener Wunsch gewesen. Und die Schulkinder in Uniformen auf derselben Seite der Zeitung? Sollen die etwas sagen? Dass sie Pflichten haben so wie Kate? Ihr Magen knurrt. Interpretieren ist nicht mehr angesagt in ihrem neuen Leben.
Vom Feuer knistert es leise. Keine Schritte hallen, keine Autos fahren. Das Meeresrauschen ist mit der untergegangen Sonne verschwunden.
Die englischen Würste samt Coleman-Senf vom selbstgebastelten Grill schmecken allerdings echt gewöhnungsbedürftig. Und das liegt nicht am Grillchef.
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............ Holgers abgelaufene Sportschuhe quietschen auf dem heißen Asphalt. Seine vor Hitze glitschigen Zehen stöhnen leise auf und schwabbern im Schuh. Es ist echt heiß. Er lungert wie viele Passanten vor den Geschäften rum. Wieder. Beobachtet den Franzosen dabei, durch seine Sonnenbrille.
Und der wimmert und winselt nach wie vor vor sich hin. Er ist ganz allein und niemand hat ihn sonst im Visier. In ein paar Stunden wäre er nach einem enttäuschenden Urlaub endlich wieder zu Hause in Frankreich gewesen. Der heiße Wind fegt über ihn hinweg. Unter den Achseln ist sein T-Shirt schon wieder nass vom Schweiß und auf seiner Sonnenbrille landet ein Tropfen aus dem vor Nässe triefendem Haar.
Müde und langsam und noch immer lauthals plärrend schleppt sich der Franzose schließlich Richtung Parkplatz. Langsam entfernt er sich immer weiter. Holger folgt ihm unauffällig, den Autoschlüssel griffbereit in seiner rechten Jackentasche. Der Franzose verlässt England nun für immer. Die Millionenstadt London war nichts für ihn gewesen. Und nun hat man ihm in seinen letzten Minuten auf der Insel auch noch seine Tasche geklaut. Doch es sollte noch schlimmer kommen. Von morgen an wird er endlich wieder in Frankreich sein und das auch noch ohne sein Auto.
Gerade als er sein Auto aufschließen will, tippt ihm Holger auf die Schulter und teilt ihm begeistert mit, dass seine Tasche im WH Smith abgegeben wurde. Dem Franzosen fallen beinahe die braunen Froschaugen aus und er schwingt seinen Hintern sofort in Richtung Geschäft und glaubt doch wieder an sein Glück.
Holger atmet tief und schnell durch, braucht dabei aber mehr Luft als normal. Der Schlüssel passt natürlich und als er einsteigt tuten die Schiffe vom Meer wie zur persönlichen Begrüßung. Tut machen nicht nur die Autos.
Er richtet sich auf , drückt auf das Gaspedal und fährt ohne in den Rückspiegel zu gucken los. Statt nach Frankreich fährt das Auto jetzt erstmal nach Dover zurück. Der Zettel unter dem Auto kriegt dabei wieder eigene Beine. Nachdem er den Hafen verlassen hat, fährt er mit leisem Gesang Richtung Stadt: „England, ich komme wieder…“. „Dover, wir kommen“, singt er. „Dover, ich komme“, verbessert er sich. Wie gut, dass er den Linksverkehr schon kennt, wenn er schon keine Lieder singen kann.
Er schiebt seine Zunge zwischen die Zähne beim Versuch, das „ th“ richtig auszusprechen. Thank you, sagt seine Stimme dann doch mit deutscher Aussprache. Immerhin ist der Tank voll. Die Klimaanlage summt wie ein Haufen Bienen im sommerlichen Garten. Und es ist gar nicht heiß hier drin.
Zeit für eine Kippe. Schiebt sich eine von den vielen Ziggies zwischen die Lippen und inhaliert. „Lecker, viel viel besser“, seufzt er zufrieden. Er inspiziert das Auto. Auf dem Beifahrersitz liegt eine Baseballkappe. Echt hässlich, das Ding. Aber egal. Im Handschuhfach liegen ein paar Quittungen und sonstiger angesammelter Papierkram. Hinten ist alles ganz aufgeräumt. Am Aschenbecher klebt ein Nicht-Rauchen Sticker. „Tja, mein lieber Franzose, das wird dir jetzt nicht passen! Seit heute ist Rauchen hier nicht mehr verboten.“ Er ascht in das Auto, schiebt dann aber doch den Aschenbecher auf. Sein Herz rast und rasselt, als er sieht, dass dieser im wahrsten Sinne mit Asche vollgestopft ist. Ein Schein nach dem anderen quillt heraus
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