Elchmus (German Edition)
bei jedem Bissen an die Enten gedacht. Als sie den Teller endlich erleichtert von sich schiebt, erwacht der doofe Kellner wieder und damit auch seine Aufmerksamkeit.
Dadurch , dass sie kein Geld für Schuhe ausgeben hat, hat sie nun doch die Spendierhosen an. Lychees kennt sie und mag sie. Sie zieht ihnen gekonnt und entspannt die Pelle ab, hat weniger Furcht vor dieser Frucht als vor den toten nackten Enten. Holger schaut angespannt auf das, was unter der rötlichen Noppenpelle zum Vorschein kommt. Leider stellt sich der Ekel auch hier bei ihm wieder ein.
Vor Elke stapelt sich mittlerweile die Pelle in mehreren Lagen. Vitamine, die die Welt nicht kennt und auch nicht braucht. Holger starrt wieder auf die glitschige Frucht, die auch ein Auge sein könnte.
Ein Abschluss eines wunderschönen Mittagessens sieht wahrlich anders aus. „Das sieht echt ekelig aus“, sagt er endlich laut. Das hat offenbar auch die Frucht gehört und flutscht zur Bestrafung zielsicher auf seinen leeren Teller. Angewidert starrt er dann doch lieber auf die toten Enten. „Auf St. Ives“, versucht Ralf die Situation zu retten.
Dabei lässt er seine gepellte Frucht unauffällig auf den Boden fallen.
Kurze Zeit später stehen sie endlich wieder auf der Straße.
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............„Von hier aus kann man ganz gut zur Tower Bridge laufen. Über die Hungerford Bridge zum Südufer. Dauert vielleicht eine knappe Stunde“, sagt Elke (wenn man dabei nicht kurz bei Hobbs reinspringt). Seit es Lychees gibt gehen auch Männer gerne spazieren, wenn sie die Frau bereits erobert haben.
Sie grummeln die Zustimmung zwar nur ganz leise, stehen dann aber als erstes auf. Tribut an die allgemein gute Grundstimmung. Ganz sicher. Das Essen wird den Magen nicht aufrütteln. Die Cola auch nicht. Die unterstützt schließlich die Verdauung positiv.
Die Royal Festival Hall sieht so gar nicht königlich aus. Ist bestimmt auch Asbest verseucht. Oder gab es den in England nicht? Typischer deutscher 70er Jahre Bau. Southbank mit seinen Büchern hat aber trotzdem was. Gestern noch im königlichen Nippes fast ertrunken, strahlt der kleine Markt heute im eigenen Glanz.
Die Themse hat Ebbe. Warme Luft steigt vom Sandufer auf. Tuuuut macht kein Auto. Denn Autos hört man hier nicht. Kinder gibt es in London nicht. Eis daher auch nicht. Keiner sitzt unten am Ufer und trinkt Bier. Weder aus Flaschen noch aus Dosen. Wie am Kanal. Ist einfach verboten hier. Es riecht trotzdem nach Sommer. Großstadtsommer. Die Mittagshitze prallt auf den Asphalt. Das Wort Betonwüste trifft hier zu. Die Prachtgebäude auf der Nordseite der Themse geben echt was her. Die wenigen Bäume auf dieser Seite spenden kaum Schatten. Es ist und bleibt heiß.
In der Tate Modern gibt es bestimmt eine Klimaanlage. Das Museum ist in England meist umsonst, wie auch dieses hier. Kultur tanken ist daher auch noch drin. Holger wird ja nun selber bald Künstler sein und er nutzt diese freie Eintrittskarte in der ansonsten so teuren Stadt sehr gerne.
Dies hier wird nicht nur sein Sommer. Dies hier ist sein neues Leben. Ohne das Bier und das Shit-Fließband kann er sich ganz anders entfalten. Er läuft im Museum zur Höchstform auf. Er könnte auch den Turm mit nur einem Sprung erklimmen. Wie Caesar im Planet der Affen. U2 haben Jump gespielt. UB40 ihren Namen vom englischen Formular für Arbeitslosengeld geklaut.
Die Ausstellungen kurbeln seine Fantasie an. Culex Molesti warten später in der Tube auf ihn. Holger hätte nicht gedacht, dass er so mal so beschwingt fühlen würde. „Can’t help falling in love with you England“, singt er holprig unbeholfen, aber dennoch laut. Momentan hält er alles für möglich und weiß nicht, wann er sich das letzte Mal so großartig vorgekommen ist. Bestimmt nicht beim Hunderennen. Denn bis nach Romford hatte er es bis jetzt noch immer nicht geschafft.
Wieder draußen vor dem Museum verkündet ein Schild auf einer Sitz-Bank „Memorial to the Unknown Husband - - often imagined, much desired - never found“. Holger schüttelt traurig den Kopf. Schöne Scheiße, finden auch die beiden anderen.
Wenn man näher an die Tower Bridge kommt, kann man sich nicht vorstellen, dass diese Riesen-Brücke hochgeklappt werden kann, um größeren Schiffen die Durchfahrt zu ermöglichen. Man kann auch noch nicht sehen, dass Fußgänger immer über die hochgeklappte Brücke oben auf den Stegen gehen können. Irgendwie hat er heute dann aber doch genug Sightseeing
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