Elchmus (German Edition)
Blackpudding, der gar kein Pudding ist. Baked Beans dazu, Eier von englischen und natürlich auch hier freilaufenden Hühnern und grüne Tomaten, die auf der Fahrt noch reifen können. Orangenmarmelade packt er dann auch noch ein. Und englisches Bier darf auch nicht fehlen. Stella kann er besonders gut leiden. 10 Dosen zum Preis von 9 für schlappe 10 Pfund. „Du liebe Zeit, das gibts doch nicht“, hört er Elkes Papa im Geiste schon sagen. Toppen kann er das ganze dann auch noch damit: die meisten Supermärkte haben sage und schreibe 24 Stunden täglich auf, verkaufen aber Bier und sonstigen Alkohol nur bis 23 Uhr. Dass danach die, die an dem Abend trinken, eh schon voll ist, wird er aber lieber verschweigen.
Im Gedanken hat Ralf damit schon ein Stein bei Elkes Vater im Herzen. Aber Bier macht auch Feinde. Frauen mögen keine biertrinkenden Ehemänner. Anderer teurer Alkohol kommt für die Mutter nicht in Frage. Champagner wäre vielleicht eine Idee, ist aber kein teurer hier. Und auch Cider ist hier mehr Bier als Wein. Also lässt er das lieber sein, reimt er lachend in sich hinein.
Packt stattdessen gutgelaunt alles für ein gutes englisches Sunday Roast in den Korb. Sonntagsessen gibt es heutzutage ohne Sonntagskleidung. Der Rinderwahnsinn ist schon lange her. Auch Yorkshire Pudding ist kein Pudding und Mashed Potatoes sind besser als selbstgemachtes Kartoffelpüree. Pastinaken? Gibt es die in Deutschland? Egal, ab in den Korb. Alles kommt dann mit einem großen Topf Gravy-Soße auf den Tisch. Und englischer Senf und Horseradish muss auch noch mit und das nicht, um die Geschmacksnerven zu töten.
Nach dem Einkauf steht Ralf fix und foxy endlich wieder draußen. Er hat Cash bezahlt. Wie ein Deutscher. Tausende parken hier. CCTV überwacht alles und jeden. Elke hat mittlerweile wieder Farbe im Gesicht. Sie ist wieder da. Spürt ihre echten langen Nägel beim kunstvollen Haareflechten im Nacken. Seit sie in England ist, sprießt alles nur so. Nur nicht die Pickel. Das Trio aus Sonne, Nichtarbeiten und Ralf hat nicht nur ihrem Teint geholfen. Kein Wunder, findet sie, wenn man bedenkt, womit sie bald ihren Lebensunterhalt verdienen wird. Und wie sie zu dem neuen Job gekommen ist: Einer jungen deutschen Frau wird in London die Handtasche geraubt und danach geht es nur noch aufwärts.
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............ Sie sind im Auto. Deutschland wir kommen. Holger schiebt sich gerade hinterm Steuer eine Frucht ins Maul. „Holger isst Obst“, kommentiert Ralf von hinten. „Physalis“, lacht dieser und denkt an eine Krankheit, die er hoffentlich nicht hat.
„Haben mehr Vitamin C als eine Orange“, sagt Elke trocken und schnappt sich auch eine. „Du bist, was du isst“, fügt sie hinzu. Ihren Mageninhalt hat sie komplett bei Tesco gelassen. Und Säure ist gut, wenn einem schlecht ist. Schmeckt dann alles besser, was so hoch kommt. Und das tut gut gerade.
Elke kann den Eltern die ausgedachte Geschichte ohne Probleme erzählen. Sie hat Ralf natürlich in London kennen gelernt. Und Holger gehört zu Ralf. Ralf und Holger kamen mit dem Auto auf die Insel. Elke mit dem Flieger. Ihnen kann gar nichts passieren. Sie haben ein Alibi und außerdem keinen Grund gehabt, ein Auto zu klauen. Dennoch kommt die Fähre in Dover nicht in Frage. Vielleicht hat es doch Kameraaugen gegeben.
Holger hat zwar das Auto nicht mehr und ist auch so kaum noch wieder zu erkennen, aber man kann ja nie wissen. Elke war und ist keine Geisel. Er hat sie immer gut behandelt. Und die Geiselgeschichte ist so weit weg wie in diesem Moment Afrika mit seinen Problemen auch ohne die bekannten Lampedusa-Flüchtlinge.
Trotzdem fühlen sie sich zurzeit alle hilflos. Offenbar ist die Vergangenheit gerade wieder auferstanden und sorgt für dieses komische Gefühl. „Komisch ist eigentlich ein Clown“, sagt Elke laut. „Vielleicht erkennt mich doch jemand wieder“, sagt Holger leise. „Glaub ich nicht“, sagt Ralf bestimmt. „Deine Matte ist weg. Deine Plauze auch“. Das Auto verbreitet trotzdem schlechte Stimmung.
Ralf denkt an seine Verbrecherkarriere, die schon als Kind begonnen hat. Damals, als er der Oma 20 Pfennig aus dem Portemonnaie stibitzt hatte und keine Ahnung hatte, wie er der Oma das damit gekaufte, aber noch nicht gegessene Eis, erklären sollte. Und den Eismann, der damals noch durch die Siedlung fuhr, konnte man da noch nicht mit Sprit aus dem Ersatzkanister locken.
Und s eine Neffen können ihm das heute nicht mehr einfach
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