Elchmus (German Edition)
fahren nur die Deppen. In Calais hält eine heiße Schnecke neben ihn, und obwohl ihn diese blitzschnell erspäht hat, versucht er sie zu ignorieren. Dadurch, dass er Ralf und Elke im Gepäck hat, kriegt er es auch hin. Auf der Fähre versucht sie ihm weiterhin ihren Willen zu demonstrieren, doch er ist schon auf dem Weg in sein neues Leben und signalisiert ihr daher eindeutig, dass er kein Interesse hat.
Im Duty Free Shop gibt es keine Billigzigaretten mehr. Trotzdem geht er rein, will ja nicht immer drittes Rad am Fahrrad sein. Außerdem hat er sich vorgenommen, in seinem neuen Leben Nichtraucher zu sein. Von guten Vorsätzen an Silvester hält er nämlich nichts.
Im Radio läuft ein schlechter Popsong, wie in den 80ern mit schlechtem Rhythmus und schlechten Refrain, der die Einkaufslaune einfach nur tötet. “Yeah, Yeah, I want you“. Danach läuft Werbung, die er trotz Sprachkurszertifikat noch immer nicht versteht und das macht ihn manchmal doch verrückt. Er will nicht wie einer der Auswanderer aus Goodbye Deutschland sein und wie ein Depp mit Erwartungen aus 1001er Nacht in die Ferne verschwinden, mit ohne Sprachkenntnissen und drei schulpflichtigen Kindern samt Frau im Gepäck und danach ganz tief von Wolke 7 auf einen astreinen Baum draufknallen und mit dreckiger Wäsche im Gepäck wieder in Deutschland auflaufen. Nach dem Motto, Onkel Hartz wirds ja schon richten und auch eine Waschmaschine kaufen.
Und er will auch nicht die Ameisen zu Freunden haben, wenn er irgendwo mit Hauptwohnsitz auf einem Campingplatz landen sollte. Ja, die Antwort mein Freund, spricht er zu sich selbst: Er hat die Power und ist auch nicht Agathe Bauer. (Die wohnt in der Mittelhoferstrasse mit Anneliese Braun und Arno…). Von Agathe Bauer-Verhörern kann er auch nach seinem Sprachunterricht noch nicht genug kriegen.
Er geht wieder an Deck. Eine rauchen. Darf ja noch. Calais ist fast weg. Dover kommt noch. Dazwischen liegt Wasser und noch mehr Wasser.
Gestern sind schon wieder über 1000 Flüchtlinge aus Lybien auf Lampedusa angekommen. Dieses Mal mit schwangeren Frauen und Kindern. Arnold Schwarzenegger hat sich bis heute noch nicht dazu geäußert.
„ Dover wird kommen“, summt er. Ohne Straßensperren. Ohne Polizeikontrolle. Ganz legal mit der Fähre aus Frankreich. Langsam verraucht die Zigarette im Wind und ganz allmählich auch seine Nervosität. Er drückt die Zigarette mit dem Daumen aus und zündet sich direkt eine neue Kippe an.
Hinterm Wasser weiter vorne tauchen endlich die weißen Klippen auf. „Schön“, holt Elke ihn ins Hier und Jetzt zurück.
Willkommen zu Hause . Holger setzt den Blinker und fährt gekonnt rechts in den Kreisverkehr. Der hinter ihm machts auch automatisch nach.
Aber der im Kreisverkehr vor ihm war schon wieder zu schnell gewesen und falsch rum reingefahren. Viel Metall liegt plattgewalzt auf dem Asphalt. Welcome to England…
68
............Zu Hause blinkt der Anrufbeantworter in der Zentrale noch immer nicht. Herr Blitz sieht es sofort. Er geht ins Bad und findet dort viel Wäsche, die gewaschen werden muss. Er weiß nicht, wie viel Wäsche er hat, aber er muss nur einmal im Monat oder so ran. Während die Maschine die Wäsche wäscht, schaut er immer wieder auf den Anrufbeantworter, der auch heute nur schweigt.
Das Ruhrgebietsauto ist nicht mehr da. Ist bereits auf dem Weg nach Dover. Irgendwann sitzt er im eigenen Garten. Auf einem weißen Klappstuhl, der auch schon bessere Tage gesehen hat. Mit dem Kopf voller Hirngespinste. Ohne Besucher. Aber mit einem festen Glauben an sich.
Je länger er grübelt, desto schlimmer werden seine Gedanken. Er wird nun auch ungeduldig und muss dringend was tun. Der Anrufbeantworter wartet dahingegen weiter geduldig. Ein Krankentransport-Hubschrauber kreuzt blinkend den Himmel und Herr Blitz sieht in Gedanken, wie ein Notarzt lebensrettende Bewegungen macht. Ihm hilft dahingegen keiner. Er hat ja niemanden.
Daher wird er erst mal eine Weile verreisen. Verreisen, fragt sein Ego? „Ja, verreisen“ bestätigt er laut. „Ich war doch noch niemals richtig von hier weg“. Und hier ist er auch alleine.
Sein e zwei Fälle sind somit in den Tiefen einer Mottenkiste versunken. Aber Herr Bernhard Blitz aus S. gibt noch nicht auf. Er atmet tief durch. Er spürt sein Herz leise pochen. Kein Wunder, findet er. Er ist verwirrt, aber fasst dennoch klare Gedanken.
Die Schapdettener Polizei ist einfach nichts für ihn. Das ist sein Problem.
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