Elea: Die Träne des Drachen (Band 1) (German Edition)
Belana gegenüber demonstriert habt.“ Elea war inzwischen in einen schnellen Schritt übergegangen, als sie lachend erwiderte: „Glaubt mir, die Demonstration meines starken Willens, von der Ihr Zeuge sein durftet, war eine der äußerst raren Ausnahmen. Meistens gewinnt Belana das Kräftemessen oder es kommt gar nicht dazu, weil ich viel zu müde bin.“ Ernster fuhr sie fort: „Eure Mutter war also eine ebenso eigensinnige und bissige Frau wie ich. Was ist geschehen? Wieso lebt sie nicht mehr unter Euch?“
Finlay schluckte mühsam den Kloß im Hals hinunter. „Sie wurde ermordet, vor elf Jahren. Sie war alleine im Wald ausreiten, was sie normalerweise nie tat. Wenn mein Vater oder ich sie nicht begleiten konnten, dann hatten zwei Krieger die Aufgabe, mit ihr zu reiten. An jenem Tag hatte sie sich mit meinem Vater gestritten, sodass sie einfach ausritt, ohne ihm etwas davon zu sagen. Als sie abends immer noch nicht heimgekehrt war, schickte er einen Suchtrupp aus. Ich war auch dabei. Wir fanden sie mit einem Pfeil im Herzen.“ Elea blieb abrupt stehen und sah ihm mitfühlend in die Augen. Sie nahm einen tiefen Schmerz in seiner Stimme wahr und konnte regelrecht spüren, wie dieser Schmerz an dem erwachsenen Mann nach elf Jahren immer noch nagte. Sie musste den in ihr jäh aufkommenden Wunsch unterdrücken, Finlay mit ihrer Magie Trost zu spenden. Sie konnte nicht noch einmal das Risiko eingehen, ihre Gabe preiszugeben – zumindest jetzt noch nicht. Sie nahm ihren Weg geschwind wieder auf. „Finlay, das tut mir sehr, sehr leid. Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll. Konnte denn ein Unfall ausgeschlossen werden?“
„ Nein, den konnte man natürlich nicht ausschließen. Zu einem Jagdunfall kann es immer kommen. Aber ich bin mir sicher, dass es Mord war.“
„ Hattet Ihr auch einen Verdacht?“, fragte Elea beharrlich nach. Finlay war das Thema merklich unangenehm, da er urplötzlich auf etwas anderes zu sprechen kam. „Wieso rennen wir eigentlich durch den Garten? Ich dachte, wir machen einen gemütlichen Spaziergang und jetzt muss ich feststellen, dass ich kaum mit Euch Schritt halten kann.“
„ Es tut mir leid, Finlay. Seit drei Tagen sitze ich in meinem Zimmer fest und die Wochen davor musste ich fast ausschließlich auf dem Rücken eines Pferdes verbringen. Zu Hause war ich täglich unter freiem Himmel in Bewegung. Meine Beine schreien förmlich nach Bewegung und Anstrengung.“ Ein breites Grinsen erschien mit einem Mal in Finlays Gesicht. „Ihr macht Euch lustig über mich. Maél und Jadora haben bestimmt erzählt, dass ich bis zu dem Zeitpunkt, als sie mich entführt haben, noch nie auf einem Pferd saß.“
„ Nein. Das ist es nicht. Ich musste gerade an Jadoras Schilderung denken, wie Maél Euch bestrafen wollte, indem er Euch an ein Seil band und Euch vor Ihm herlaufen ließ. Und Ihr habt ihm nicht den Gefallen getan, vor seinen Augen vor Erschöpfung zusammen zu brechen. Ist es nicht so?“ Elea musste jetzt auch lachen. „Oh ja. Ich kann Euch sagen, es war ein Genuss, in sein wutverzerrtes Gesicht zu sehen, als er nach einer ganzen Weile von seinem Pferd absteigen musste, um mich wieder loszubinden. Ich hätte ihm nie die Genugtuung gegeben, mich zum Kapitulieren zu bringen. Lieber wäre ich auf allen Vieren weiter gekrochen.“ Finlay stimmte laut in ihr Lachen mit ein. Nach einem kurzen Schweigen blieb er plötzlich stehen. „Glaubt Ihr, Ihr könntet in dem langen Kleid und dem Umhang rennen?“ Eleas Herz machte vor Freude einen Sprung. Sie nickte Finlay dankbar zu und raffte bereits den langen Rock über ihre Knie. Nur einen Augenblick später rannte Finlay los – mit Elea an seiner Seite, deren langes Haar durch die spätabendliche Dunkelheit wie eine brennende Fahne hinter ihnen her wehte. So rannten sie eine ganze Zeit lang den Weg, der den äußeren Rand des Schlossgartens umschrieb, schweigend nebeneinander her. Elea wäre am liebsten die ganz Nacht durchgelaufen. Irgendwann war das Keuchen des jungen Mannes so laut geworden, dass sie ein Einsehen mit ihm hatte und anhielt. „Dem Himmel sei dank. Ich dachte schon, Ihr würdet nie müde werden.“
„ Ich muss Euch leider enttäuschen, Finlay. Ich habe Euretwegen angehalten, da Ihr den Eindruck erwecktet, jeden Moment umzufallen“, erwiderte Elea in neckendem Ton. „Das hatte ich schon befürchtet. Ich bin hoffentlich nicht der erste Mann, dessen Stolz Ihr angekratzt habt?!“ Elea musste unwillkürlich daran denken,
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