Elea: Die Träne des Drachen (Band 1) (German Edition)
schien ihm unbegründet. Ihre Geschichte klang für ihn durchweg glaubhaft. Und dass sie das ein oder andere kleine Geheimnis hatte, musste nun nicht bedeuten, dass sie die Umsetzung seiner Pläne damit gefährdete. Zudem hatten Maél und Jadora fünf Wochen lang die Gelegenheit, sie genau zu beobachten. Und außer der Sache mit den Vögeln war ihnen nichts Außergewöhnliches aufgefallen. In drei Tagen sollte das Drachenfest stattfinden und nur zwei Tage später plante er den Aufbruch für die Suche nach dem Drachen. Ihm war durchaus bewusst, dass die Wetterbedingungen für diese Reise nicht die besten waren. Der Winter stand vor der Tür und im Akrachón war er bereits eingezogen. Er selbst würde mangels eines geeigneten Heerführers in Moray bleiben müssen - leider. Er wäre viel lieber dabei, wenn sie den Drachen, diese zugleich furchterregende und faszinierende Kreatur, aufspüren würden. Doch seine Anwesenheit in Moray und bei seinem Heer war aufgrund der jüngsten Geschehnisse unerlässlich.
Im Schlossgarten angekommen, blieb Finlay abrupt stehen und hielt Elea an der Hand fest. Er sah fasziniert auf ihr unbedecktes, leuchtendes Haar. Er konnte nicht widerstehen, eine Strähne in die Hand zu nehmen, um sie näher zu betrachten. Er wollte schon zu einem Kommentar ansetzen, als sie ihm einen warnenden Blick zuwarf und mit dem Kopf schüttelte. Also schluckte er seine Worte unausgesprochen hinunter und hustete dezent seine Stimme frei, bevor er auf das zu sprechen kam, was ihm ursprünglich auf dem Herzen lag. „Wie habt Ihr das eben gemacht? Es hat nicht mehr viel gefehlt und mein Vater und ich wären übereinander hergefallen wie zwei wild gewordene Keiler.“
„ Ich habe gar nichts gemacht, Finlay. Ich habe nur versucht, Euch und Euren Vater zu beruhigen. Ich habe selbst eingesehen, dass meine Panik unbegründet und übertrieben war. Mein Leben hat sich mit dem Tag, an dem Maél mich meiner Familie entriss, grundlegend geändert. Es ist auch nicht gerade normal, achtzehn Jahre lang völlig abgeschieden von der Außenwelt in den Tag hineinzuleben, findet Ihr nicht? Und wenn ich ehrlich bin, habe ich mich manchmal gelangweilt und gefragt, ob im Wald herumzustreunen und auf irgendwelche Gegenstände mit Pfeil und Bogen zu schießen, alles ist, was das Leben für mich bereit hält.“
„ Aber Euer Leben als Drachenreiterin zu bestreiten, entspricht sicherlich nicht Euren Vorstellungen von einem aufregenderen Leben, oder etwa doch?!“, fragte er in halb ernstem und halb scherzendem Ton.
Finlay hatte offenbar bemerkt, dass gerade etwas Außerordentliches vorgegangen war. Ob sie ihn von dem Gegenteil hatte überzeugen können, wusste sie nicht. Aber wenn sie jemand ihre Gabe offenbaren müsste, dann nur ihm. Dies hatte Maél ihr zu verstehen gegeben. Weitaus größere Sorgen machte sie sich jedoch darüber, was Roghan möglicherweise bemerkt hatte. Ihn hatte sie sogar berührt, auch wenn die warme Welle, die auf ihn übergegangen war, ungleich geringer war als bei Maél. Und wenn ihm tatsächlich etwas aufgefallen war, würde er es zweifelsohne Darrach erzählen, der geradezu versessen auf ein verräterisches Verhalten von ihr wartete. Jetzt war es zu spät. Es war geschehen. Maél wäre sicher außer sich, wenn er davon wüsste. Sie musste das Beste daraus machen und zumindest Finlays Verdacht, dass mit ihr etwas nicht stimmte, zerstreuen. Sie setzten sich wieder in Bewegung. „Finlay, mir ist klar, dass zwischen Euch und Eurem Vater einiges im Argen liegt - zurecht. Ihr missbilligt seine Pläne, die durchaus nicht ehrenwert sind. Ich konnte jedoch Euren Streitgesprächen entnehmen, dass er nicht immer so rücksichtslos war. Und ich muss zugeben, es klingt absurd, aber auch wenn er mich zu all diesen Dingen zwingt, ja sogar mich mit meiner Familie erpresst, kann ich nicht umhin, ihn zu mögen. Ich bin nicht blind. Ich sehe und ich fühle, dass Ihr Euch noch liebt, ungeachtet dessen, was zwischen Euch steht. - Was hatte eigentlich das Lächeln zu bedeuten, das Ihr Euch gegenseitig zugeworfen habt, nachdem ich Euren Vater nach meiner Rolle auf dem Drachenfest gefragt hatte?“ Finlay räusperte sich erst, bevor er antwortete. Seine Stimme klang trotzdem rau. „Wir dachten beide an meine Mutter... Ihr müsst wissen, Ihr seid ihr nicht unähnlich. Nicht im Hinblick auf Eure Erscheinung, sondern was Eure Scharfzüngigkeit und Widerspenstigkeit angeht, sowie Euren starken Willen, den Ihr mir heute Abend
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