Elea: Die Träne des Drachen (Band 1) (German Edition)
Allein.“ Jadoras Blick verfinsterte sich sofort und schwenkte zu Maél hinüber, der offensichtlich darum bemüht war, nicht die Fassung zu verlieren. Er ballte die Hände zu Fäusten und musste sich zwingen, langsam und tief zu atmen. Zudem musste er erneut gegen ein Würgen ankämpfen. Glücklicherweise hatte sich Finlays fassungsloser Blick auf Belanas Gesicht geheftet, sodass er Maéls nach außen gut sichtbaren inneren Kampf nicht bemerkte. Außer sich vor Wut schnauzte Finlay Belana an. „Wie konntet Ihr sie allein bei ihm lassen, nach allem, was sie gestern bereits durchgemacht hat?“ Belana setzte sofort in einem für sie völlig untypischen, kleinlauten Ton zu einer Verteidigung an. Sie erzählte von ihrem morgendlichen Besuch bei König Roghan. Zu allem Überfluss fügte sie noch hinzu, dass sie ein ungutes Gefühl hatte, als sie Elea und Darrach verließ. Finlay begann darauf, sich wie wild die Haare zu raufen, was Maél am liebsten auch getan hätte. Er hatte es inzwischen geschafft, wieder eine halbwegs gleichgültige Miene aufzusetzen und bemühte sich, die letzte Äußerung Belanas nur in seinem Innern zu verarbeiten. Plötzlich hörten die vier in der Thronhalle versammelten Personen wieder Schritte, allerdings aus der entgegengesetzten Richtung. Hinter dem großen Sockel mit dem Thronsessel befand sich eine Tür, die direkt zu den Gemächern des Königs führte. Diese öffnete sich jetzt und hereintrat Roghan mit seiner Leibgarde, die sich sofort in der Thronhalle postierte, während Roghan die Festtafel ansteuerte. Vor seinem Platz am Kopf der Tafel blieb er stehen und begrüßte die Anwesenden mit einem knappen Nicken, das die anderen mit einer Ausnahme erwiderten. Roghan hatte sich gerade auf seinem Stuhl niedergelassen, als auch schon sein Sohn außer sich vor Wut auf ihn zugestürzt kam. „Vater, wie konntest du es zulassen, dass Darrach Elea allein befragt?“, platzte es aus ihm heraus. Roghans ohnehin schon finstere Miene verdüsterte sich noch mehr bei diesem neuerlichen Angriff seines Sohnes. Mit herrischer und drohender Stimme erwiderte er: „Ich warne dich, Finlay! Ich habe heute keinen Sinn für deine unangemessenen Ausbrüche. Wenn du nicht deine Zunge im Zaum halten kannst, dann werde ich dich unverzüglich von meiner Leibgarde in die unteren Gefilde des Schlosses bringen lassen, wo ich dir genügend Zeit lassen werde, dich wieder unter Kontrolle zu bringen. Überlege dir also genau, was du sagst! Noch ein beleidigendes Wort von dir, dann landest du im Kerker!“ Finlay schluckte zähneknirschend seine heiße Wut hinunter und wandte sich von seinem Vater ab. Dieser forderte die anderen auf, sich an die Tafel zu setzen. Belana setzte sich zu seiner Linken. Zu seiner Rechten sollte Darrach sitzen. Jadora setzte sich neben den dem Berater vorbehaltenen Platz und Maél wiederum neben Jadora. Finlay war noch nicht bereit, sich an denselben Tisch zu setzen, an dem sein Vater saß. Er ging nervös auf und ab und blickte immer wieder angespannt auf die Türöffnung, die in den langen Gang führte.
Die lautstarke Zurechtweisung des Königs hatte ein angespanntes Schweigen zur Folge. Belana fixierte unentwegt ihren Kristallkelch und mied den Blick von Roghan. Maél bereitete sich im Geiste auf die bevorstehende Begegnung mit Elea und seinem Peiniger vor. Nur Jadora machte die Stille offenkundig zu schaffen. Er klopfte nervös mit den Fingern seiner rechten Hand auf den Tisch und schaute immer wieder zu Roghan in der Hoffnung, dass dieser ein Gespräch mit ihm beginnen würde. Er selbst wagte es nicht, das Wort an den König zu richten - erst recht nicht jetzt, wo sich dieser in einer äußerst gereizten Stimmung befand. Nach einer Weile durchbrach Roghan die Stille. Er richtete das Wort jedoch nicht an den Hauptmann, sondern an Maél. Er machte seinem und Darrachs Handlanger nochmals deutlich, wie außerordentlich wichtig es sei, den Drachen zu finden und diesen zusammen mit Elea zurück nach Moray zu bringen. Allein davon hänge das weitgehende Vermeiden eines blutigen Krieges gegen König Eloghan und das Verhindern eines Aufstandes der Bevölkerung Morays ab. Maél ließ einmal mehr sein schauspielerisches Talent spielen. Er strahlte souveräne Zuversicht aus, als er ihm versicherte, Elea mit dem Drachen nach Moray zurückzubringen.
In der Thronhalle entstand eine willkommene Unruhe, als ein paar Diener Kristallkaraffen mit Wein und Wasser und Schüsseln mit Brot auf dem Tisch
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