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Eleanor Rigby

Eleanor Rigby

Titel: Eleanor Rigby Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas Coupland
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erwischt wird, hat man die Wahl: Entweder sie rufen die Polizei, oder sie machen ein Polaroid von dir, auf dem du deine Beute hochhältst. Das ist fast immer Käse. Und dann erteilen sie dir Hausverbot. Da hängt eine ganze Wand voll mit verblichenen Fotos von irgendwelchen Pennern mit einem Käse in der Hand. Ich riskiere damit keine Vorstrafe, sondern bloß eine rituelle Demütigung.«
    Ich fand das ausgesprochen interessant, und das sagte ich ihm.
    »Lass uns um was wetten.«
    »Wieso? Worum denn?«
    »Ich wette, du hältst mich für einen Penner.« Ich seufzte. »Tja, Jeremy, mal sehen, was ich bis jetzt über dich weiß: Drogen, Überdosis, Netzstrümpfe, Käsediebstahl ...« »Ich war mal ein Penner.« »Okay. Alles klar.«
    »Aber ich habe vor ein paar Jahren damit aufgehört.«
    »Freut mich zu hören.« Ich überlegte. »Geht das denn? Ich meine, kann man einfach so mit einer ganzen Lebensweise aufhören?«
    »Ja. Zumindest habe ich das geglaubt. Bis gestern Nacht. Meine Freundin Jane hat mich für die Rocky Horror Show aufgetakelt.«
    »Das hat deine Ärztin mir schon erzählt.«
    »Dr. Tyson? Oh Mann, die kommt mir vor, als müsste sie mal eine Weile an den Morphium-Tropf und ein Wochenende mit einem Tennisprofi durchsumpfen. Sie gehört zu diesen Ärzten, die sich zu sehr reinhängen. So etwas erkenne ich mit einem Blick.«
    »Da magst du Recht haben.« »Warum hast du so ein verquollenes Gesicht?« »Ich hab mir vor vier Tagen die Weisheitszähne ziehen lassen.«
    »Tut's weh?«
    »Nein. Ich hab jede Menge Schmerzmittel gekriegt.« »Hast du noch was übrig?«
    »Nein!« Ich hob scherzhaft die Hand, als wollte ich ihm eine scheuern.
    »Fragen kostet nichts.«
    Ich fragte ihn, wie er sich fühlte. Er wurde still. Ich sagte: »Hallo?«
    Er zog sich einfach so in sich zurück, seine ganze Ausstrahlung war weg.
    »Jeremy? Du liegst hier krank im Bett, und wir reden über ... geklauten Käse. Das ist bescheuert. Tut mir leid.«
    Seine Finger umschlossen die meinen fester. Wie damals an der Bahnstrecke mit meiner Schale Blaubeeren hatte ich gar nicht gemerkt, dass wir schon die ganze Zeit Händchen hielten.
    Ich fragte: »Jeremy - soll ich eine Schwester holen?« Mit einer Heftigkeit, die mich überraschte, schüttelte er den Kopf.
    »Was ist los? Jetzt sag schon.«
    »Was Schlimmes. Was gar nicht Gutes.«
    »Was ist nichts Gutes - die Dunkelheit, von der du gesprochen hast?«
    »Nein. Mein Leben. Wo ich gelebt habe.« »Deine Familie ... Familien?«
    »Die auch. Manchmal werde ich von Bildern überwältigt.« »Was für Bilder?«
    »Omen. Dinge, die wir sehen, wenn das Ende naht.«
    O Gott, gerade, wenn das Gespräch ein bisschen ins Rollen kommt, wirft irgendeine merkwürdige neue Facette seiner Persönlichkeit uns wieder aus der Spur.
    »... brennende Wale, die auf Stränden verenden, Gänseblümchen, die zerbersten, Geldbündel, die an der Küste angespült werden, Bäume, die erschlaffen und in sich zusammensacken ...«
    Ich wollte mich gerade fragen, ob er immer noch stoned war, aber er kam mir zuvor. »Ich bin nicht stoned. Die Wirkung hat schon vor Stunden nachgelassen.«
    »Ich bin kein religiöser Mensch, Jeremy.«
    »Ich kann weglaufen - wir können weglaufen - aber wir können uns nicht verstecken.«
    »Wovor?«
    »Vor der Weisung des Himmels.«
    Nichts in meinem Leben hatte mich auf diese Situation vorbereitet, also hielt ich einfach den Mund.
    Er sagte: »Ich bin ein Aussätziger. Ich brauche einen aussätzigen Messias, a leper messiah.« Er sah mich an. »Das ist von David Bowie.«
    »Ziggy Stardust. Ja, ich erinnere mich.« , Er schaute zu den abgedunkelten Fenstern hinaus. »Diese Welt, die so auf den Hund gekommen ist, wird untergehen, aber wenigstens habe ich sie vorher noch gesehen.«
    »Da hast du wohl Recht.«
    »Sie kann so schön sein, weißt du ... die Erde, meine ich.«
    »Hör mal Jeremy ... ich, äh ... ich bin nicht wie du. Es fällt mir schwer, Schönheit zu begreifen.« Womöglich war Jeremy ebenso einsam wie ich. Vielleicht ist Einsamkeit erblich. Möglich, aber er versuchte seiner Einsamkeit Glanz zu verleihen, während die meine flackerte wie eine kaputte Leuchtstoffröhre.
    Er sagte: »Ich zieh dich damit doch bloß auf.«
    »Warum denn das?«
    »Damit es nicht langweilig wird.« Er schaute wieder zum Fenster hinaus. »Ich muss jetzt schlafen.« »Dann schlaf.«
    »Wirst du noch hier sitzen, wenn ich aufwache?«
    Ich überlegte. »Ja«, sagte ich dann.
    »Nacht.«

~14~
    In

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