Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Eleanor Rigby

Eleanor Rigby

Titel: Eleanor Rigby Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas Coupland
Vom Netzwerk:
weiter. Sie sind auf die Knie gesunken und beten um irgendein Zeichen dafür, dass die Stimme sie nicht verlassen hat.«
    »Bekommen sie es?«
    Jeremy lag flach auf dem Rücken, die Arme seitlich an den Körper gepresst, als wollte er von einer Klippe ins Wasser springen. »Ja.«
    »Was für eins?«
    »Nicht das, worauf sie gehofft haben. Eine Schnur kommt vom Himmel zu ihnen herunter.«
    »Eine Schnur? Woran ist die denn da oben befestigt?«
    »Weiß ich nicht. Moment mal - es ist eher ein Seil. Und daran ist etwas festgebunden, das jetzt nur ein paar Schritte von ihnen entfernt auf der Straße liegt. Die Farmer gehen darauf zu.«
    »Was ist es denn?«
    »Ein Knochen.«
    Langsam wurde es unheimlich. Ich hatte ein Gefühl, als sei gerade der Schatten eines Flugzeugs über mich hinweggeflogen.
    »Es ist ein bizarr geformter Knochen - ein Schlüsselbein mit einer flachen und einer spitzen Seite. Da kommt noch ein Knochen an einem Seil vom Himmel - ein Hüftknochen. Und jetzt sind da noch mehr Seile mit jeder Menge ... Knochen. Sie schlagen gegeneinander und klirren wie ein Windspiel.«
    »Hast du Angst?«
    »Nein.«
    »Und die Farmer?«
    »Ja. Sie weichen vor den Knochen zurück. Sie haben ihre Botschaft bekommen. Sie sind völlig allein, und um sie herum ist nur noch Wildnis. Sie sind keine Menschen mehr - sie sind Puppen, Vogelscheuchen oder Schaufensterpuppen. Ihre einzige Rettung liegt darin, an die Stimme zu glauben, die sie verlassen hat.«
    Das war Jeremys letzte Vision. Hin und wieder tauchten noch Bruchstücke auf, aber dies ist die Geschichte, die für mich wirklich eine Geschichte ist, und ich finde es frustrierend, nicht zu wissen, was aus diesen Farmern geworden ist.
    »Möchtest du ein paar Cracker? Und nachher vielleicht eine Suppe?«
    »Das klingt gut.«
    »Ich geh mal schnell in den Laden. In ein paar Minuten bin ich wieder da.«
    In jener Nacht stuften wir die Erkältung zu einer Grippe hoch. Bis zum Sonnenaufgang am Montag morgen war eine schwere Bronchitis daraus geworden, und mittags fuhr ich ihn ins Krankenhaus. Der Verkehr unterwegs ließ mich an meine Bürozelle bei Landover Communication Systems denken.
    In Krankenhaus nahm man Jeremy auf, steckte ihn in ein Bett und saugte ihm dann mit einer Art Staubsauger den Schleim aus den Lungen. Ich sehe das geradezu gelangweilte Gesicht der Schwester noch deutlich vor mir, die dreinschaute, als würde sie gerade ihr Wohnzimmer putzen. Da ich selbst ja noch nie etwas mit einem Kranken zu tun gehabt hatte, fragte ich mich nun, ob dieses demonstrative Desinteresse vielleicht am tröstlichsten für den Patienten war. Ich wollte mir auf jeden Fall freinehmen, und ich rief Liam an, um es ihm zu sagen.
    Dann ging ich zum Kiosk, kaufte einen Stapel Zeitschriften und Kaugummi, ging nach oben und setzte mich neben Jeremy. Gegen Ende des Tages war er langsam wieder klar im Kopf. Er sagte: »Oh, Kacke, ich bin wieder hier.«
    »Tut mir leid.«
    Er blickte sich so wütend im Zimmer um, als sei es ein Klassenraum, in dem er nachsitzen musste. Dann sah er mich an. »Wie schlimm ist es?«
    »Sie wissen nicht, ob es eine Erkältung oder eine Grippe ist, aber es hat sich eine Lungenentzündung daraus entwickelt, und jetzt bist du hier.«
    Wieder Heß er den Blick durchs Zimmer wandern und schaute dann zur Decke hinauf. »Die Matratze hier ist zu hart eine zehn Zentimeter dicke Schaumstoffauflage würde ihr gut tun. Außerdem wüßte ich gern, womit sie sie zwischen zwei Patienten einsprühen, damit sie wieder hygienisch sauber wird.«
    Ich sagte: »Wenigstens kann man das Kopfteil hochstellen.«
    »Das hatte ich ganz vergessen. Wo ist die Fernbedienung?« Sie lag an seiner Seite, und ich gab sie ihm. Genau wie William mit seinen alten Modellautos begann Jeremy mit seinem Bett herumzuspielen. »Na, das ist mal eine Matratze.«
    Ich sagte: »Eigentlich ist es ein komplettes Schlafsystem, Jeremy.«
    »Wenn ich hier rauskomme, werde ich Matratzen an Kliniken verkaufen. Damit kann man bestimmt ein Vermögen verdienen.« »Ach, wirklich?«
    »Ja. Mein kleiner, erfüllbarer Traum ist gerade ein bisschen größer geworden.«

~48~
    Eine Stunde später verlor Jeremy das Bewusstsein. Sein Zustand blieb ein paar Tage lang, in denen er immer wieder in einen fiebrigen Dämmerzustand zurückdriftete, unverändert. Er sah mich an, aber ich weiß immer noch nicht, ob er mich erkannte, und das war grauenhaft.
    Am nächsten Wochenende durfte er nach Hause, aber seine motorischen

Weitere Kostenlose Bücher