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Eleanor Rigby

Eleanor Rigby

Titel: Eleanor Rigby Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas Coupland
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Fenster hinaus. Ich habe den Verdacht, sie wollte sich von ihrem schlechten Gewissen freikaufen, aber das behielt ich für mich, und Jeremy war kein Dummkopf- er hätte es sofort durchschaut.
    Später fragte er: »War deine Mutter geizig, als du klein warst?«
    »Nein. Eigentlich nicht.« Auch wenn Mutter in gewisser Weise stolz auf meine vermeintliche Jungfernschaft gewesen war, hatte sie doch ständig versucht, mich mit überteuerten Designerklamotten und Make-up herauszuputzen — alles nur, um mir mehr Sex-Appeal zu verleihen. Du musst die Jungs auf dich aufmerksam machen, damit sie dich genauer unter die Lupe nehmen. Wenn ich nur einen Funken Interesse gezeigt hätte, hätte sie mir vermutlich sogar ein Domina-Outfit aus Leder und Handschellen gekauft - Hauptsache, ich lieferte ihr irgendeinen Beweis, dass Sex überhaupt ein Thema für mich war. Ich glaube auch, wenn sie zu der Entscheidung gezwungen gewesen wäre, ob sie lieber eine Jungfrau oder ein Flittchen zur Tochter haben wollte, hätte sie Letzteres gewählt. Zum Glück fand Mutter in Leslie eine viel begeistertere Kandidatin für ihren Feldzug in Sachen Sex.

~51~
    Jeremy hatte Donna ganz richtig eingeschätzt: Eine kurze Zeit lang belagerte sie die Wohnung wie ein Teenager, der für Konzertkarten Schlange steht. Nichts gegen ihre Hilfsbereitschaft, aber sie machte aus einem Bowling-Nachmittag gleich eine ganze Lebensgemeinschaft mit diesem Mann. Ich hatte mir Urlaub genommen und brauchte daher keine Unterstützung. Ein paar Gespräche wären schön gewesen, aber wenn Donna zu Besuch kam, war sie dermaßen auf Jeremy fixiert, dass ich immer an irgendwelche Stalker-Filme denken musste. »Er leidet.«
    »Er schläft doch bloß.«
    »Stell dir mal vor, was für Schmerzen er haben muss.« »Ganz im Gegenteil. Er spürt immer weniger.« In ihren Augen war ich eine Hexe.
    Nach einer Woche sagte Jeremy: »Glaub mir, sie wird bestimmt bald mit mir ins Bett wollen. Sie ist ein Mensch, der immer die Oberhand behalten muss, und für so jemanden bin ich der absolute Traummann — das heißt, eigentlich bin ich ihr Gefangener. Sie muss weg. Was können wir da machen?«
    »Am besten sagen wir ihr einfach, sie soll damit aufhören.«
    »Das musst du aber übernehmen. Sie wird ausrasten.«
    Und das tat sie. Es war eine hässliche Szene. Mir warf sie Undankbarkeit vor, Jeremy unterstellte sie, er täusche seine Krankheit nur vor, um Aufmerksamkeit zu erregen, und ... Allein der Gedanke an sie bringt mich zur Weißglut Wenn man einmal miterlebt hat, wie jemand durchdreht, kann man ihn nie wieder so sehen wie vorher. Der Klatsch darüber, dass jemand nicht mehr alle Tassen im Schrank hat, hört sich amüsant und irgendwie putzig an, aber sobald man so etwas einmal mit eigenen Augen gesehen hat, ist es vorbei.
    Am Tag nach dem Eklat kam Liam abends zu Besuch. »Donna hat sich ziemlich aufgeregt.«
    Jeremy sagte: »Die hat doch einen Knall.« Gesundheitlich hatte er einen guten Tag, und wenn man ihn so sah, wäre man nicht daraufgekommen, dass es mit ihm zu Ende ging.
    Liam war so klug, das Thema Donna nicht weiter zu vertiefen. »Unten im Auto sitzen drei von meinen Chorfreunden. Darf ich sie nach oben holen, damit Jeremy ihnen was vorsingt?«
    Dieses Ansinnen war so dreist und kam so überraschend, dass wir nur allzu gern einwilligten. Es handelte sich um zwei Frauen und einen Mann. Sie waren höflich und leise, und ausnahmsweise hatte ich den Gästen einmal etwas anderes als Fertigpudding und Ouzo anzubieten. Eine der Frauen hatte einen Kassettenrecorder mitgebracht. Es war ihr unangenehm, ihn zu benutzen, aber das brauchte es nicht zu sein. Sie fragte Jeremy: »Können Sie auch Arien rückwärts singen?«
    »Schon, aber von der Theorie der klassischen Musik habe ich keine Ahnung — ich weiß nur, wie sie klingt.«
    »Das reicht.«
    »Was möchten Sie denn hören? Bedenken Sie, dass ich das höchstens dreißig Sekunden durchhalte.«
    »Wir haben eine kleine Liste zusammengestellt ...« Und was für eine! Wir machten zwei Stunden lang Aufnahmen. Bei einigen Stücken forderte Liam uns auf zu reden, während Jeremy sang, nur um den Hörern zu beweisen, dass das Ganze kein Trick war.
    Dann gingen die vier wieder, und das war's.

~52~
    Ein paar Notizen, die ich gerade gefunden habe ...
     
    Eine neue Ordnung, kalte weiße Lichter, die brennen und verlöschen.
    Ein Tornado mit Heiligenschein.
    Ein Mann wirft einen strampelnden Körper in den Kofferraum eines Chevy.
    Eine 747

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