Eleanor Rigby
Wort mehr.«
»Haben Sie Ihre Koffer selbst gepackt, Miss Dunn?« »Natürlich.«
»Haben Sie sie irgendwo bei irgend jemandem stehen lassen, und sei es auch nur für eine Minute?«
»Das bin ich beim Einchecken in Vancouver auch schon gefragt worden. Nein.«
»Sind Sie allein hergeflogen?«
»Ja.«
»Wollten Sie sich auf der Reise nach Frankfurt mit jemandem treffen?« »Nein.«
»Wollten Sie sich in Wien mit jemandem treffen?« Eine kaum merkliche Pause, dann: »Nein.« »Ich glaube, Sie verschweigen mir etwas, Miss Dunn.« »Mr. Schröder, Sie verschweigen mir ebenfalls etwas.« »Einen Moment bitte, Miss Dunn.«
Er ließ mich im Verhörzimmer allein. Ich starrte den Teller mit den Lebkuchen auf dem Deckchen an. Hatten die Deutschen inzwischen Wahrheitskekse erfunden? Nahmen sie aufgrund meiner Leibesfülle an, ich könnte der Versuchung nicht widerstehen? Ich wandte den Blick ab. Dann wurde ich müde — der Jetlag. Der surreale Marsch durch den verlassenen Flughafen. Die weiße Zelle. Ich wollte nur noch die Augen schließen.
Mr. Schröder kam mit zwei Männern zurück. Einer von ihnen trug nordamerikanische Kleidung, die sich deutlich von der der anderen abhob. »Das ist Mr. Brace. Er kommt von Ihrer Regierung.«
Ich nickte.
»Und das hier ist jemand, dessen Namen Sie vorerst nicht zu kennen brauchen. Er ist Deutscher.« Ich nickte erneut.
Mr. Brace sagte: »Miss Dunn, Sie wissen, dass Sie den siebtgrößten Flughafen der Welt lahm gelegt haben?« »Sieht ganz so aus.«
»Sie haben die hiesige Wirtschaft Millionen von Dollar gekostet.« »Und?«
»Um offen zu sein, die Deutschen sind ganz schön wütend auf Sie.«
»Und ich auf sie. Ich war gerade dabei, ein Schinkensandwich zu essen, und fragte mich, ob ich den Gratis-Economist lesen soll, als sie plötzlich über mich herfielen und mich zusammenschnürten wie ein Spanferkel.« Ich hatte gerade die Worte Schinken und Ferkel in einem Satz verwendet. Bizarrerweise fragte ich mich, ob es politisch korrekt war, so viel Fleisch in einen Satz zu packen.
»Miss Dunn, ich möchte Sie etwas fragen: Sind Sie vor einer Woche, am letzten Donnerstag, um ungefähr 17.40 Uhr in Vancouver spazieren gegangen?«
Was? Mein Meteorit? »Das Ding in meinem Gepäck ist doch bloß ein Meteorit — ein alberner Stein. Warum um alles in der Welt sollte der einen ganzen Flughafen lahm legen? Guter Gott. Es ist doch nur ein Stein.«
Die beiden Männer wechselten einen Blick, der mir nicht gefiel.
Ich fragte: »Was - ist es etwa ungesetzlich, Meteoriten mit sich herumzutragen? Täglich schlagen Millionen davon auf der Erde auf. Das hab ich bei Google nachgeschaut.«
Mr. Brace sagte: »Miss Dunn, das, was Sie da gefunden haben, war kein Meteorit.«
»Ach.«
»Miss Dunn, Ihr Meteorit ist ein Stück des Reaktorkerns eines RTG, eines Radioisotopengenerators. Er diente einem Kosmos-Satelliten aus der ehemaligen Sowjetunion als Brennstoff. Der Satellit ist im Weltraum auseinandergebrochen, und die Flugbahn seiner Bestandteile verlief unseres Wissens zwischen 17.39 und 17.40 Uhr über dem Teil des Pazifik zwischen den Aleuten und der Küste von Alaska und British Columbia. Wir haben die Absturzkurve wohl unterschätzt.«
»Verstehe.«
»Die deutsche Polizei hat dieses hoch radioaktive Material bei der routinemäßigen Gepäckdurchleuchtung in Ihrer Tasche gefunden. Die Beamten nahmen an, es sei Bestandteil einer schmutzigen Bombe. Sie werden verstehen, dass so etwas die Leute in Alarmzustand versetzt.«
»Ja.« Eine Pause trat ein. »Kann ich dann gehen?«
»Noch nicht. Wir müssen von einem Labor eine Strahlenanalyse des Brennmaterials vornehmen lassen. Reine Formsache. Wir wollen die Bestätigung haben, dass er zu einer Charge gehört, die 1954 in einer geheimen sowjetischen Stadt namens Arsamas-16 verarbeitet wurde.«
»Meinetwegen.« Ich beschloss, ein bisschen Smalltalk zu machen, was die Männer stets in die Flucht schlägt. »Dann müssen Sie erleichtert sein, dass es keine schmutzige Bombe war. Sie hätten mich doch bloß zu fragen brauchen, was im Koffer ist. Dafür mussten Sie mich nicht ins Gefängnis stecken.«
»Das ist unser Standardverfahren, Miss Dunn.«
Wir redeten ein paar Minuten lang über Formalitäten. Ich fragte noch einmal, ob ich nun in meine Zelle zurückkehren konnte.
»Ja und nein. Ich glaube, Sie sollten zuerst mit Dr. Vogel sprechen.« Er stellte mir den anderen Mann vor, den Deutschen. »Dr. Vogel ist Onkologe.«
»Was?« Ich weiß,
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