Eleanor Rigby
was ein Onkologe ist; ich war nur geschockt, als ich das Wort hörte.
»Dr. Vogel ist auf Schädigungen durch radioaktive Strahlung spezialisiert.«
Ich stand auf. »Was hat das mit ...?«
Dr. Vogel bedeutete mir, ich solle mich wieder setzen. »Bitte, Miss Dunn. Nehmen Sie Platz.« Ich gehorchte.
Dann fragte er mich: »Miss Dunn, wie haben Sie das Objekt vom Boden aufgehoben?« »Mit ... mit der Hand.«
»Verstehe. Haben Sie es danach noch lange bei sich getragen?«
»Ja, das habe ich. Es fühlt sich wunderbar an. Es ist vom Himmel gefallen. Einfach so. Direkt vor meiner Nase. Ich habe meine Einkäufe fallen lassen, um es mir anzusehen.«
»Wie lange also, schätzungsweise?«
»Ich habe ein paar Stunden damit herumgespielt, und dann ...« »Und dann?«
»... habe ich es abends unter mein Kopfkissen gelegt.« »Verstehe.«
»Ich glaube, ich auch.« Noch eine Pause.
»Wie schlimm steht es denn um mich?«
»Ziemlich schlimm, würde ich sagen. Es tut mir leid.«
~60~
Trotz des Schadens, den ich ihrer Wirtschaft zugefügt hatte, wurde ich von den Deutschen sehr nett behandelt. Sie ließen mich sogar in ein richtiges Krankenhaus einweisen und nicht in irgendein schäbiges Knastlazarett.
Es wurde zwar verhindert, dass die Sache mit der schmutzigen Bombe in die Zeitung kam (ich habe den Verdacht, dass es viele solche Geschichten gibt, von denen wir nie etwas erfahren), aber das Klinikpersonal wusste genau, wer ich war und was auf dem Flughafen passiert war — und auch, warum ich jetzt in ihrem Krankenhaus logierte. Ich kam mir vor wie eine Fleisch gewordene moderne Gruselstory: Du weißt schon, diese Verrückte, die ein Stück Weltraumschrott für einen Meteoriten gehalten hat. Sie hat es in ihren Koffer gesteckt und damit den siebtgrößten Flughafen der Welt lahmgelegt.
Man brachte mich sicherheitshalber auf die Isolierstation jawohl, unter die Käseglocke. Unter Umständen war mein Immunsystem geschwächt, andere konnten mich leicht mit ihren Bazillen anstecken. Dr. Vogel sagte mir, die Schwere der Strahlenschäden erkenne man allein daran, wie schnell die Symptome sich einstellen. Das Ergebnis meiner Blutuntersuchungen war noch nicht eingetroffen, doch wenn die Zahl meiner weißen Blutkörperchen gesunken sein sollte, wäre ich anfällig für opportunistische Infektionen. Ich habe das Glück, dass ich keine unmittelbaren Symptome wie Verbrennungen, Übelkeit oder Fieber bekommen habe. Dabei muss ich an Tschernobyl denken, an diese armen, todgeweihten Hubschrauberpiloten, die Zement auf den geschmolzenen Reaktor gössen. Innerhalb weniger Tage waren sie tot. Das Dumme ist, dass Dr. Vogel nicht weiß, ob ich überhaupt krank werde und wenn ja, in welcher Weise. Niemand weiß das. Es kann Monate oder Jahre dauern, bis sich Symptome zeigen.
Und jetzt befinde ich mich wieder in einer Art Isolation — unter einer Käseglocke. Was will das Universum mir damit sagen?
Dr. Vogel gab mir ein Medizinbuch, aber das Kapitel über Verstrahlung war mir zu deprimierend. Die Symptome sind denen der MS ausgesprochen ähnlich — der einzige Unterschied sind die Abstände, mit denen sie auftreten, und dass man nie genau weiß, ob das Ende wirklich das Ende ist. Auf der Isolierstation zu liegen macht es nur noch schlimmer. Die Leute schauen herein, lächeln und winken, als wäre ich ein kleiner Hund oder eine kleine Katze — und ich wette, dass sie in dem Moment, wenn sie vorbei sind, den Entgegenkommenden einen traurigen Blick zuwerfen: Die arme todgeweihte Frau unter der Käseglocke.
Kurz vor Sonnenuntergang betrat William den Raum vor meinem Zimmer. Sein Anzug war zerknittert, und er hatte einen kleinen Tomatensaftfleck am Revers. »Herrje, Lizzie, was zum Teufel hast du diesen Leuten angetan?« »Haben sie dir das nicht gesagt?«
»Einiges, aber nicht alles. Du Hegst unter einer verdammten Käseglocke.« »Stimmt. »Bist du krank?« »Ich? Nein.«
»Warum dann die Käseglocke?«
»Eigentlich, um mich vor dir zu schützen. Sie lassen mich erst raus, wenn mein Leukozytenstatus da ist. Nimm dir einen Stuhl.«
William gehorchte. »Ich bin bei deiner Wohnung vorbeigefahren. Das ganze Haus war mit weißem Plastik verhängt. Männer in Mondanzügen gingen ein und aus wie am Ende von E.X Deine Nachbarn werden ziemlich sauer sein, wenn du nach Hause kommst.«
»Daran musste ich auch schon denken. Du siehst müde aus.«
»Ich habe seit achtundzwanzig Stunden nicht geschlafen. Das bin ich gewöhnt.«
»Danke, dass du
Weitere Kostenlose Bücher