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Eleanor Rigby

Eleanor Rigby

Titel: Eleanor Rigby Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas Coupland
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gekommen bist.«
    »Also, erzähl mir, was passiert ist, ja?«
    Und das tat ich, wobei ich den Teil mit Herrn Bayer und Klaus Kertesz ausließ.
    William sagte: »Typisch Lizzie — wenn du nicht gerade einen in zwei Teile zerhackten Transvestiten findest, dann wenigstens einen Brocken Plutonium.«
    »Kein Plutonium — ich glaube, es ist angereichertes Uran.«
    Mit einem Zischen Heß er die Luft aus seinem Brustkorb entweichen. Er schaute sich um. »Weißt du was? Ich hab schon jemandem in diesem Krankenhaus Blut abgekauft.«
    »Na, so ein Zufall.«
    »Manche dieser Krauts bleiben einfach ewig am Leben. Die Frau damals konnte sich noch an die Erfindung des Autos erinnern.«
    »Stell dir mal vor, wie es sein muss, so viele Erinnerungen zu haben.«
    »Ihre DNS ist wie ein Kauspielzeug für Hunde. Sie wird noch den vierten Weltkrieg erleben.«
    »William, wenn du diese Menschen triffst und ihnen Blut abkaufst, stellst du ihnen dann irgendwelche Fragen?«
    »Nur welche von medizinischem Interesse ... Rauchen, Trinken, Ernährung ... was für einen Beruf sie hatten, wie alt ihre Verwandten sind.«
    »Haben sie irgendwas gemeinsam?«
    »Sie sagen alle, dass sie sich kaum Sorgen machen - und seltsamerweise mögen viele von ihnen kein Gemüse. Wirklich.«
    »Ich meinte, haben sie dir mal verraten, wie sie mit all diesen Erinnerungen fertig werden?«
    »Nein. Die meisten sind Farmer oder Menschen, die in kleinen Dörfern wohnen, wo nie etwas passiert. Städter werden nun mal nicht hundertfünf, geschweige denn hundertzehn.«
    »Bist du trotzdem auf irgendwas gestoßen, das sie alle verbindet?«
    »Vielleicht. Wir glauben, dass es irgendwelche Genmarker gibt. Richtig lukrativ sind allerdings, äh, andere Zelltypen - aber das weißt du nicht von mir. Wir zapfen inzwischen nicht mehr nur Blut ab.« Er rieb sich die Augen, blinzelte und sagte: »Ich muss ins Bett. Wie lange bleibst du hier?«
    »Wenn alles gut geht, dürfte ich morgen früh entlassen werden. Ich habe nichts anzuziehen — mein Gepäck wird als Sondermüll vergraben -, deshalb muss ich alles neu kaufen.«
    Er gab mir die Nummer seines Hotels, und wir kamen überein, uns nach meiner Entlassung zu treffen. Als er das Zimmer verließ, blickte er sich noch einmal nach mir unter meiner Käseglocke um. »Das ist ein bisschen so wie damals bei Jeremy, stimmt's?« Ich bejahte.
    Er sagte: »Bis morgen früh, Lizzie.«

~61~
    Ich will unbedingt ganz schnell nach Wien weiterfliegen. Da William den wahren Zweck meiner Reise nicht kennt, verwirrt ihn meine Entschlossenheit. »Wien? Flieg einfach nach Haus, Lizzie. Du hast schon genug Aufregung gehabt.«
    »Nein. Ich will mir Wien anschauen.« Ich war eine freie Frau, der Status meiner weißen Blutkörperchen war in Ordnung, und wir saßen im Speisesaal des Hotels und aßen etwas, das man nur als ein Hoch aufs Fleisch bezeichnen kann - mit Krabben gefülltes Kalbfleisch, mit Rindfleisch gefülltes Schweinefleisch. Doch auf einmal hatte Fleisch für mich eine andere Bedeutung; womöglich war es radioaktiv verseuchtes Gewebe. Schließlich aß ich einen Salat.
    Williams Heimflug ging am nächsten Morgen, und er gab mir einen, wie er meinte, guten Rat. »Wien ist eine große, alte Stadt, in der es fast nur Rentner gibt. Glaub mir, ich kenne mich mit alten Leuten aus, und mehr hat die Stadt nicht zu bieten — allerdings ist kein Hundertfünfjähriger dabei. Machst du dir Sorgen wegen des Geldes? Kriegst du die Reisekosten nicht erstattet?«
    »Es geht nicht ums Geld. Es geht ums Prinzip.« Ich fummelte an meinen Haaren herum — oder eher an dem bisschen, was davon übrig war. An jenem Nachmittag war ich, bevor ich meinen neuen Spießerlook zusammengekauft hatte, spontan in einen Friseursalon gegangen und hatte sie abschneiden lassen.
    »Und warum um alles in der Welt hast du dir die Haare abschneiden lassen? Die waren dein größtes Plus.«
    »Ich wollte es lieber selbst machen, anstatt es der Chemo zu überlassen.«
    »Wer hat denn was von Chemo gesagt? Dein Leukozytenstatus war doch normal.«
    Er hatte völlig Recht, aber es war leichter, die Chemo als Ausrede zu benutzen anstatt zu sagen, dass ich es wirklich satt hatte, ich zu sein, und dass ich jemand anders sein wollte, sei es auch nur für kurze Zeit. Ich glaube, das trifft auf die meisten Menschen zu, die sich die Haare radikal kurz schneiden.
    William aß das letzte Stück Kalbfleisch von seinem Teller. »Sieh bloß zu, dass ich dabei bin, wenn Mutter dich zum ersten Mal

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