Electrica Lord des Lichts
Kopf, was hieß, dass er nichts damit zu tun haben wollte. Er ließ sie stehen und stapfte voraus. Herrje, sie musste wirken wie ein wirres Weib, das Kauderwelsch von sich gab. Sie beeilte sich, dem Mann zu folgen, doch wollte sich keine Erleichterung einstellen.
Eigentlich hatte Sue sich für eine vergleichsweise aufgeklärte Frau gehalten. Für die Spukgeschichten der alten Weiber im Dorf hatte sie nicht mehr als ein müdes Lächeln übriggehabt. Bestenfalls konnte sie ein paar Ideen für ihre Geschichten nutzen. Doch die geisterhafte Erscheinung ließ ernsthafte Zweifel aufkommen, ob nicht doch ein wahrer Kern im Geschwätz der Leute stecken mochte. Tief in ihrem Inneren glaubte Sue, dass es selbst für das schwebende Monstereine logische Erklärung geben könnte. Zumindest versuchte sie, es sich einzureden, denn falls dem so sei, wollte sie es gar nicht erst herausfinden. Zu groß war die Furcht vor dem röhrenden Untier. Um nichts in der Welt wollte sie ihm erneut begegnen. Zu überraschend war sie von einem unglaublichen Ereignis in das nächste gestürzt. Ein schmerzhafter Knoten zog sich in ihrem Magen zusammen, bei dem Gedanken an Tante Meggie. Sie schluckte die Tränen hinunter. Etwas Weiches strich über ihr Gesicht. Ihr Körper schüttelte sich vor Ekel. Panisch wedelte Sue mit den Händen die herabhängenden Spinnweben zur Seite, während sie der vorauseilenden Gestalt des Zigeuners folgte.
Es war dunkel hier, nur wenige Fackeln in Wandhalterungen gaben ein schwaches Licht ab. Vielleicht war es auch besser, wenn man nicht sehen konnte, was in diesem dunklen Gang vor sich hinkreuchte. Woher ihre Füße die erneute Kraft nahmen, konnte sie sich nicht erklären. Sie trugen sie wie von selbst voran. Seltsam. Irgendwie hatte sie sich das Innere von Duart Castle vornehmer vorgestellt, trotz der düsteren äußeren Erscheinung. Scheinbar hatte sie sich etwas vorgemacht und ihre Fantasie war mit ihr durchgegangen. In Wahrheit schienen sich die Dunkelheit und die nicht minder unheimliche, alles überdeckende Stille der hohen Gänge zu einer lauernden Gefahr zu verbinden. Dieser Teil des Schlosses war eindeutig unbewohnt und sie fragte sich, ob der Zigeuner und seine Frau in einem ebenso heruntergekommenen Bereich lebten.
Sie erklommen eine steile Stiege. Sue hielt sich zurück, um nicht die ächzenden Trittbretter hinaufzueilen, weil eine erneute Welle der Furcht ihre Wirbelsäule hinaufkroch. Allein der Gedanke, etwas könnte hinter ihr plötzlich aus der Dunkelheit hervorspringen und ihr Bein zu fassen bekommen, trieb ihr kalten Schweiß auf die Stirn. Sie beschleunigte ihre Schritte, hätte am liebsten den Mann zur Eile angetrieben. Warum hatte er sie auch nicht vorgehen lassen?
Erleichtert stellte sie fest, dass sie schon bald einen weiteren Gang erreichten. Viel besser war es hier jedoch nicht, auch wenn anstelle des feuchten Steinbodens ein wohnlicher Holzboden vor ihr lag. Ständig fuhr sie herum, weil ihre Schritte auf den Dielen knarrten und weit hinter ihr nachhallten. Sie musste sich mit aller Kraft zusammenreißen, damit sie nicht in blinde Panik ausbrach und den Zigeuner einfach über den Haufen rannte.
„Bitte, ist es noch weit?“ Der Klang ihrer Stimme beruhigte ein wenig ihre Nerven.
„Grmpf“, kam es von vorne zurück.
Nicht besonders aussagekräftig, doch ein Anzeichen, dass die Gestalt vor ihr ein menschliches Wesen war. Das musste vorerst reichen, um ihre Angst zu bezwingen. Es würde nicht weiterhelfen, wenn sie erneut in einen völlig aufgelösten Zustand geriet.
Kurz vor ihnen öffnete sich eine Tür. Ein Lichtstrahl fiel in den Gang, als befände sich ein sonnendurchflutetes Zimmer dahinter. Verblüfft blieb Sue auf dem Absatz stehen. Ihr Herz flatterte wie ein eingesperrter Vogel in ihrer Brust. Es war doch tiefste Nacht. Außerdem gab es keine Fenster auf Duart Castle. So viele Kerzen konnte es nicht geben, dass sie ein derart grelles Licht erzeugten. Sue kniff die Augen zusammen, versuchte herauszufinden, ob sie tatsächlich vor sich sah, was sie glaubte, zu sehen.
So war es. Langsam wich sie zurück und presste sich dicht an die Wand. Im Türrahmen erschienen die Konturen einer Gestalt. Ein langer Schatten schob sich über den Boden. Aus dem erleuchteten Raum trat die Zigeunerfrau, mit der Sue den Mann auf dem Marktplatz gesehen hatte.
Sie redete in einer Sprache auf den Mann ein, die Sue nicht verstand. Dieser deutete mit dem Daumen hinter sich, um auf Sue aufmerksam zu
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