Electrica Lord des Lichts
tonlos.
„Wir arbeiteten dort an Studien der Tierelektrizität, erforschten die Muskelkontraktionen durch elektrische Impulse.“ Brown blickte ihn erwartungsvoll an.
„An Menschen, nehme ich an. Wirklich unschön.“ Er gab sich mit seiner logischen Schlussfolgerung bewusst abschätzig, um den Mann aus der Reserve zu locken. Nirgendwo kam man leichter an Leichen als in Gefängnissen. Versuche an Menschen erweckten selten sein Interesse, es sei denn, seine Studienobjekte waren lebendig. Diese würdelose Leichenfledderei führte nicht mal zu sinnvollen Ergebnissen. Brown wirkte betroffen.
„Äh ... ja. Natürlich im Dienste der Forschung.“
Cayden verschränkte die Arme vor der Brust. „Wir haben alle mal mit dem Blitzableiter angefangen.“
„Wie meinen?“ Der Erfinder wirkte irritiert. Gut so.
„Wie ich hörte, arbeitet Ihr gerade an einer kontinuierlichen Stromquelle. Eine Art Dynamomaschine soll die Dampfkraft als Antriebsenergie ablösen.“ Den Begriff hatte Cayden in Browns Gedankengewirr aufgeschnappt, als er in seinen Kopf eingedrungen war. Der Rausch seines Gegenübers war recht hilfreich.
Brown starrte ihn entgeistert an. „Woher wisst Ihr davon? Ich habe mit niemandem über diese Idee gesprochen.“
„Ich habe meine Quellen und ich denke, wir sollten langsam ins Geschäft kommen.“
Natürlich verstand der Erfinder darunter etwas anderes als Cayden vorschwebte. Doch das würde er noch früh genug merken. Es würde nicht das erste Patent sein, das er unter anderem Namen anmeldete und teuer verkaufte. Allerdings nicht, ohne vorher seinen Nutzen daraus zu ziehen. Browns gerunzelte Stirn zeugte davon, dass er haderte, doch wie bei den meisten Perfektionisten übernahm die Aussicht auf eine Gelegenheit über sein Werk zu sprechen überhand.
„Kommt. Ich werde es Euch zeigen, doch seid nicht enttäuscht, meine Arbeit ist noch nicht ausgereift.“
Mit einem Mal hatte es Brown eilig. Er stand schon neben seinem Stuhl und warf sich sein Tweedjackett über.
„Ich bin niemals enttäuscht“, entgegnete Cayden, zufrieden über Browns irritierten Blick. Er ließ ein paar Münzen für die Zeche auf den Tisch fallen und folgte dem Mann.
Draußen erwartete sie eine dichte Regenwand. Unablässig rann das Wasser zu den tiefer liegenden Straßen, floss an windschiefen Häusern mit kleinen Flügelfenstern herab und sammelte sich in spiegelnden Pfützen auf dem unebenen Kopfsteinpflaster. Gleichmäßig strömte es auf Droschken, die plötzlich in Sicht kamen und ebenso schnell vorbeiratterten. Mit einem Satz zur Seite, wich Cayden den aufspritzenden Fontänen aus. . Die Ausdünstungen der turbinenbetriebenen Webereien am Stadtrand lagen schwer in der Luft. Selbst einer der häufigen Regengüsse war machtlos gegen den steten Qualm. Dort verdingten sich Tagelöhner unter dem Schein schwacher Funzeln in Nachtschichten.
Seinen Hut tief ins Gesicht gezogen, eilte Brown in geduckter Haltung mit platschenden Schritten voraus. Cayden klappte den Kragen seines Umhangs auf. Wasser tropfte von seinen Ellenbogen und dem Rand seines hellgrauen Zylinders. Während er mit gemäßigten Schritten dem Tempo des Erfinders leicht folgen konnte, ignorierte er bettelnde Hände,die sich ihm aus dunklen Nischen entgegenstreckten. Für ihn waren sie nichts weiter als huschende Schatten, gleichgesetzt mit streunenden Hunden.
„Es ist nicht mehr weit“, rief Brown über die Schulter.
Das wollte Cayden auch für ihn hoffen. Er schätzte es nicht, zu Fuß zu gehen und von vorbeifahrenden Kutschen bespritzt zu werden, anstatt mit ihnen zu fahren. Sein Transportmittel hatte er außerhalb von Edinburgh in sicherer Verwahrung abgestellt. Er blickte auf den nass glänzenden Rücken vor ihm. Nein, er würde den Mann nicht töten. Es wäre schade um die Fülle an Ideen in seinem Kopf, von denen Cayden bislang einen vagen Eindruck gewonnen hatte. Sofern es sich vermeiden ließ und er von ihm bekam, was er wollte, sollte dieser findige Geist weiterforschen. Solche Menschen waren unverzichtbar für die Entwicklung des britischen Empires auf seinem Weg zur Weltherrschaft. Schließlich würde Cayden noch eine ganze Zeit lang in diesem Leben verweilen. Genau genommen eine Ewigkeit. Und darauf wollte er vorbereitet sein.
Nach wenigen Minuten machten sie Halt vor einem niedrigen Wohnhaus, das sich zwischen bulligen Nachbarbauten eingedrückt zu behaupten versuchte. Schon nach dem ersten Klopfen wurde die Tür einen Spaltbreit geöffnet und
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