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Electrica Lord des Lichts

Electrica Lord des Lichts

Titel: Electrica Lord des Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helene Henke
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nichts, das sie hätte trösten können. Niemanden, der ihr helfen würde. Ein Albtraum, aus dem es kein gnädiges Erwachen gab, denn ihre schmerzenden Glieder zeugten unweigerlich von der Tatsache, dass sie nicht schlief.
    Verzweifelt schlug sie die Hände vors Gesicht und schluchzte haltlos. Oh Gott. Ihre Tante war tot. Umgebracht vom Schulleiter, in dessen Diensten sie jahrelang gestanden hatte. Es war offensichtlich mehr gewesen, was Meggie an den alten Mann band. Sues Gedanken tosten wirr durch ihren Kopf. Sie konnte jetzt nicht darüber nachgrübeln, zumal sie nicht einmal wusste, wohin sie ihr Weg führen sollte. Der Boden mochte ihr unter den Füßen weggezogen worden sein, aber sie stand noch immer auf festem Untergrund. Im Rücken spürte sie das unebene Gehölz des Baumstamms durch den klammen Stoff ihres Kleides.
    Wo ein Baum stand, musste es auch mehrere geben. Angestrengt suchte sie die Umgebung ab. In der Nebelwand konnte sie weitere geisterhafte Baumskelette ausmachen. Irgendwo da hinten musste der Bruchwald sein. Ihre Fesseln schmerzten und die Muskeln in ihren Beinen drohten nachzugeben. Sie konnte jetzt nicht aufgeben, wenn sie nicht in der Wildnis sterben wollte. Sie zwang ihren Körper zum Gehorsam, die letzten Kräfte zu mobilisieren. Die Steigung im Wald hatte sie erklommen, jetzt stand der Abstieg bevor. Weiter unten lag eine Lichtung im matten Schein des Mondes. Vielleicht war es auch ein Weg. Sie kniff konzentriert die Augen zusammen, doch sie konnte nichts Genaues erkennen. Wenn es so war, führte der Pfad möglicherweise zu Duart Castle. Dort würde man ihr Asyl gewähren. Schließlich war der Mord an ihrer Tante auf dem Land des Lords geschehen, folglich hatte dieser das Schiedsrecht über die Bewohner seines Territoriums. So musste es einfach sein. Vorsichtig machte sich Sue an den mühevollen Abstieg. Hatte sie zuvor noch unter Atemnot gelitten vor Anstrengung, drohten nun ihre Waden zu platzen. Mühsam setzte sie einen Fuß vor den anderen und sah sich schon den Abhang hinunterstürzen. Vielleicht sollte sie sich einfach fallen lassen. Dann wäre alles vorbei.
    Ein Baum bot ihr die nötige Stütze, um sie davon abzuhalten. Sie sackte mit dem Rücken dagegen. Ihre Lider waren schwer, wollten sich schließen und der Mutlosigkeit ein Ende setzen. Aus dem Augenwinkel bemerkte sie ein Aufblitzen in der Ferne. Sie drehte sich um und blickte den Hang hinunter. Wenige Yards trennten sie von dem Weg, den sie nun tatsächlich dort unten erkennen konnte. Wieder blitzte es, sodass sie irritiert zum Himmel aufblickte, obwohl sie sicher war, den kurzen Schein von unten gesehen zu haben. Vielleicht war irgendwo ein Blitz eingeschlagen. Im nächsten Moment ertönte ein unheimliches Röhren, das immer lauter wurde. Sue fuhr zusammen, als sich gleichzeitig zwei fremdartig leuchtende Kreise aus der Dunkelheit lösten. Schnell wurden sie größer, kamen immer näher heran. Der Schreck riss Sue von den Beinen, sodass sie unsanft auf ihr Hinterteil plumpste. Die Bestie mit den glühenden Augen. Es gab sie wirklich.
    Instinktiv kroch Sue hinter den Baumstamm. Wenn sie sich ruhig verhielt, würde das Tier sie nicht bemerken. Hoffentlich war sie weit genug entfernt, damit es ihre Witterung nicht aufnehmen konnte. Ihr Herz hämmerte in der Brust.Ein ohrenbetäubendes, brüllendes Geräusch zerschnitt die Stille. Sue schlug eine Hand vor den Mund, während sie sich mit der anderen am Baum abstützte. Einen solchen Tierlaut hatte sie noch nie gehört. Aus ihrer Deckung lugte sie hinab. Das Untier lief nicht auf vier Beinen, sondern glitt an ihr vorbei wie eine Kreuzotter im Unterholz. Sein mächtiger Körper schien mit schuppenartigen Flechten bedeckt zu sein. Die Augen funkelten so stark, dass sie einen Lichtkegel warfen, um ihm den Weg zu weisen. Dicke Dampfwolken stoben hinter ihm auf, als hätte es soeben Feuer gespien. Sollte es sich etwa um einen Drachen handeln? So etwas gab es doch nur in den Sagen. Nein. Drachen flogen. Das Ding da unten bewegte sich auf dem Boden, allerdings so schnell, als würde es schweben. Es rauschte an Sue vorbei. Für den Bruchteil einer Sekunde konnte sie einen Blick drauf werfen. Sein Maul war geschlossen, doch aus seiner Seite ragte etwas heraus wie ein Pfeil, der nicht tief genug in den Körper des Jagdwildes eingedrungen war. Erst als der Lärm nachließ und das Untier von der Dunkelheit verschluckt wurde, löste sich Sue langsam aus ihrer Erstarrung. Der sich langsam

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