Electrica Lord des Lichts
Mentors eine Welle von Unbehagen aus. Sofort fasste er sich, denn wenn ihm eins zum Verhängnis werden konnte, waren es Emotionen. Starke Empfindungen wie Liebe oder Hass konnte Baron Luthias aufspüren. Dazu befähigte ihn das innere Band, mit dem er ihn zu kontrollieren vermochte, selbst über weite Entfernungen hinweg. Cayden war darauf trainiert, seine Gefühle zu unterdrücken und würde sich besonders jetzt nicht dazu hinreißen lassen, ihnen freien Lauf zu gewähren.
Das war also der Grund, warum er sich in letzter Zeit beobachtet gefühlt hatte. Er hatte die Möglichkeit nie ausgeschlossen, dass Luthias eine Wiederkehr gelingen mochte. Allerdings war es selbst für einen derart mächtigen Vampir beachtlich, wenn es ihm in weniger als zweihundert Jahren gelungen sein sollte, sich zu regenerieren. Immerhin war Cayden dabei gewesen, als Luthias 1684 bis auf die Knochen verbrannte, nachdem der wütende Mob ihn im Schlaf überrascht und sein Haus angezündet hatte. In Abwesenheit hatte die damalige Lynchjustiz den Baron der Maleficia sämtlicher Übeltaten, die man generell den Hexen zuschrieb, überführt. Dabei ahnten sie nicht einmal, dass es sich bei ihrem Verurteilten um ein weitaus schlimmeres Unheil handelte als einen angeblichen Hexer. Schwarze Magie diente dem uralten Vampir Luthias lediglich als Hilfsmittel, auf das er ohne Weiteres verzichten konnte. Normalerweise wäre es ein Leichtes für Luthias gewesen, seinen Häschern zu entkommen. Nicht nur das. Sie konnten sich glücklich schätzen, ihn in einem Moment der Schwäche erwischt zu haben, in der Trauer über den Verlust seiner Geliebten die Sinne des Barons betäubt hatte. Ansonsten wäre nicht der Baron zur Legende geworden, sondern ein Massaker von unvergleichbarem Ausmaß.
Cayden zwang seine Aufmerksamkeit in die Gegenwart, bevor die Erinnerung sein Inneres in Aufruhr versetzenkonnte.
„Eure Männer halten mich also für die Inkarnation des Blutbarons?“ Gelassen zog er sein Jackett aus.
Smith blickte ihn verwundert an. „Nee, dann hätte ich die Männer wohl kaum dazu bewegen können, hier anzulegen.“
Cayden erwiderte sein Lachen, um den Ernst des Themas zu entschärfen. Zumindest, was Smith und seine Mannschaft betraf. Aufmerksam geworden, blickten ein paar der Seeleute verstohlen zu ihnen herüber. Offensichtlich irritiert über die in ihren Augen ausgelassene Unterhaltung ihres Captains mit dem Lord, dem eigentlichen Grund ihrer Angst, senkten sie rasch ihre Blicke und machten sich an die Arbeit.
„Wovor fürchten sie sich dann?“ Cayden krempelte die Ärmel seines Hemdes hoch.
„Ihr seid denen unheimlich. Die Männer glauben, mit Euch stimmt etwas nicht.“
„Tatsächlich?“
„Naja, Ihr müsst schon zugeben, dass es seltsam erscheint, wenn ein ansehnlicher Mann wie Ihr, noch dazu vermögend, zurückgezogen in diesem düsteren Kasten haust.“
Dazu die Tatsache, dass Duart Castle ausschließlich nach Einbruch der Dunkelheit beliefert werden durfte, las er deutlich in Smiths Miene. Jede Abweichung von der Regel erzeugte bei weniger gebildeten Menschen Argwohn. Daran war er gewöhnt. Dabei ahnten diese Männer nicht mal ansatzweise, wie weit er von dem abwich, was sie für normal hielten.
„Ich bin wählerisch, was Frauen betrifft. Wie es aussieht, werde ich mich wohl selbst um meine Ware kümmern müssen.“ Cayden marschierte über den Steg. Sofort wichen die Matrosen auf das Schiff zurück, als böte dieses ihnen Schutz. Belustigt griff er eine der Kisten, für deren Gewicht zuvor zwei der kräftigsten Kerle nötig waren. Er wuchtete sie auf die Schulter und trug sie zum Höhleneingang.
Mit heruntergeklappter Kinnlade starrte der Captain ihn beim Vorübergehen an. „Mein lieber Schwan. Ein Muskelpaket wie Euch könnte ich in meiner Mannschaft brauchen.“
„Ich werde auf Euer Angebot zurückkommen, wenn es sich ergibt, Captain. Fürs Erste könntet ihr dabei helfen, meine Ladung zum vereinbarten Lieferort zu transportieren.“ Er deutete mit dem Kopf zum Höhleneingang. „Oder habt Ihr etwa auch Angst vor mir?“
Cayden klemmte sich das verpackte Schreibpapier unter den Arm und stieg den Hügel hinauf. Dahinter lag das Dorf. Auf dem Gipfel hielt er inne und warf einen Blick zurück. Mondlicht fiel durch zerrissene Wolken und legte einen geisterhaften Schein auf die Giebel des düsteren Gemäuers. Ein Schaudern überzog seinen Rücken. Die letzten Worte des Captains hallten wie das alles übertönende Geläut
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