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Electrica Lord des Lichts

Electrica Lord des Lichts

Titel: Electrica Lord des Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helene Henke
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nicht ohne Verzicht
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    Maßlose Wellen, des Lebens erwacht, Gefühle von unglaublicher Macht
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    Der Zyklus des Lebens treibt ohne Ruh, den Körper, die Seele. Immerzu
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    Die Tiefen der Schwärze, kraftvoll umhüllt, bricht ein das Licht zum Lächeln gewillt
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    Im Strom der Gezeiten, der Mond gibt das Licht, in Ehrfurcht erblickend das eigene Gesicht
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    Das Kratzen der Feder auf Papier hatte etwas Vertrautes. Sue hielt inne und starrte auf das beschriebene Blatt. Schreiben hatte ihr immer geholfen, wenn ihre Gedanken in Aufruhr gerieten oder es galt, ein Ereignis zu verarbeiten. Auf unzähligen Blättern hatte sie ihre Sorgen und Nöte in fantasievolle Geschichten verfasst und sie eingelagert in einer Kiste vor ihrem Bett.
    Nicht selten flossen die Worte ohne ihr Zutun wie von selbst aus ihr hinaus. Doch nie zuvor hatte ihr Text so rätselhaft gewirkt. Er schien wie eine Botschaft aus den Tiefen ihres Seins, dort, woher die Träume kamen und deren Bedeutung hinter einem Schleier verborgen blieb.
    Gleichwohl wollte ihr nicht gelingen, endgültig in ihre Geschichten einzutauchen. Noch immer schwirrten die Gedanken umher wie Herbstlaub auf der Heide. So viel war geschehen in den vergangenen Tagen. Sie wusste nicht, wo sie mit dem Schreiben anfangen sollte.
    Möglicherweise lag es daran, dass sie mitten in einer Episode ihres Lebens steckte, deren Ende nicht vorhersehbar war. Seltsam verloren schien sie in einem Strom dahinzutreiben, ohne die geringste Ahnung mit welchem Ziel. Oder ob sie überhaupt irgendwo landen würde. Manchmal verlor sie gar den Anfang aus den Augen. Dabei glich es einer Offenbarung, bei diesem Licht schreiben zu können. Bisher hatte sie regelmäßig ihre Augen überanstrengt, wenn sie tief gebeugt im Schein einer Kerze schrieb. Selten war es ihr vergönnt, am helllichten Tag zu schreiben. Meist erschien es zu umständlich, die unhandlichen Pergamentbögen in der Rocktasche zu verstauen, um einen ruhigen Ort aufzusuchen. Dagegen flogen in stillen Momenten daheim ihre Hände nahezu über das Papier, bis die Finger steif wurden.
    Seit dem Gespräch mit Lord Maclean waren ihre Angst und Trauer zwar durchaus präsent, doch erschien alles erträglicher. Obwohl seine makellose Miene kaum eine Regung zeigte, kam ihr seine Erscheinung weitaus weniger düster vor als bei ihrer ersten Begegnung. Im Gegenteil. Die Unterhaltung mit ihm war interessant, sodass sie sich flugs entspannte. Auf eine unerklärliche Weise gab er ihr das Gefühl, willkommen zu sein. Mehr noch, er behandelte sie respektvoll und höflich wie einen hochgestellten Gast. Sein musternder Blick, wenn sie nicht hinschaute, war ihr nicht entgangen. Es schien, als betrachtete er sie als etwas Besonderes, was ihr schmeichelte.
    Nachdem der Lord sie im Salon zurückgelassen hatte, fühlte sie sich verloren, was nicht zuletzt daran lag, dass sie sich in seiner Gegenwart so wohl gefühlt hatte. Zahlreiche neuartige Gefühlsregungen waren über sie gekommen. Sie konnte sich keinen Reim darauf machen. Unwillkürlich fasste sie sich an die Wange, wo ihre Haut aufgeflammt war, als seine Fingerspitzen sie federleicht berührten. Wie selbstverständlich hatte er ihr eine Locke hinters Ohr geschoben. Um ihre Unsicherheit zu verbergen, hatte sie vorgetäuscht, davon nichts mitzubekommen. Tatsächlich waren wohlige Schauder durch ihren Körper gefahren, deren Nachhall sie noch immer spürte.
    Zur Ablenkung war sie eine Weile damit beschäftigt gewesen sich umzusehen. Ehrfürchtig war ihre Hand über die glatten Flächen des Mobiliars gestrichen. Sprachlos vor Entzücken hatte sie nacheinander eins der zahlreichen Bücher aus dem deckenhohen Regal genommen. Nie zuvor hatte sie so viele Bücher gesehen. Jedes einzelne wollte sie lesen, in die Geheimnisse eintauchen und ihr eigenes dabei vergessen.
    Der kleine Sekretär mit den geschwungenen Beinen barg Feder und Kiel sowie jede Menge Papier. Er lud geradezu ein, sich niederzulassen. Diese Geschichte brauchte sie nicht zu erfinden, sie lebte sie. Es müsste ein Leichtes sein, sie zu verfassen. Doch eine wiederkehrende Unruhe brachte ihr Gemüt in Aufruhr, obwohl sie sich gefasst hielt. Sie konnte diese Widersprüchlichkeit nicht in Worte fassen. Stattdessen kam sie sich vor wie ein kleines Mädchen in einer anderen Welt. Sie beobachtete die entstehenden Worte auf dem Papier, die feuchte Tinte umgab sie mit einem hübschen Glanz. Immer wieder musste sie an die Umstände um den Tod ihrer Tante denken, wodurch sie

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