Electrica Lord des Lichts
bucklige Zigeuner begriff. Ein wahrer Glücksgriff. Waloja erwies sich in den letzten Jahren als äußerst nützlich, eine unerwartete Gegenleistung dafür, dass Cayden ihm und Babu Obhut gewährte. Der Mann hatte sich innerhalb kurzer Zeit mehr Fachwissen angeeignet, als manch einer in seinem ganzen Leben. Cayden brauchte ihm nur Pläne oder Aufzeichnungen von den zahlreichen Erfindern vorzulegen. Sofort war der Zigeuner in der Lage, jede nötige Gerätschaft zu bauen, sofern das entsprechende Zubehör vorhanden war. Vermutlich war er nicht mal sicher, ob Eisenkerne vorrätig waren. Notfalls würde er sie in Caydens Auftrag bei den Schmugglern ordern.
Zufrieden wandte sich Cayden der Tür zu. Bald würde die Electrica auf Duart Castle Einzug halten und endlich die Nacht erstrahlen lassen, sodass sie den Einschränkungen des Tages in nichts mehr zurückstehen würde. Mit Walojas Hilfe würde in Kürze dieses säulenartige Gebilde aus den Aufzeichnungen in seinem Labor entstehen und ihn zum Meister einer bahnbrechenden Technologie erheben. Nicht auszudenken, welche Vorteile ihm das unter seinen zahlungskräftigen Kunden verschaffen würde. Die Weiterentwicklungsfähigkeit war nicht zu verachten. Allein die Notizen über das Amperemeter boten die Grundlage für ein Kommunikationsgerät über weite Strecken. Jeder Kriegsherr würde ihm einen solchen Telegrafen aus den Händen reißen, um effektiver Nachrichten senden zu können, für die bislang ein berittener Bote oft Tage oder Wochen benötigte. Sofern ihn nicht unterwegs jemand umbrachte. Natürlich stand der Profit im Vordergrund und er zögerte grundsätzlich nicht, seine Geschäfte außerhalb des Empires abzuschließen. Schließlich musste er weiter in die Zukunft denken als seine kurzlebigen Zeitgenossen. Dennoch bevorzugte er loyale Geschäfte im Dienste des Königs.
Im Salon traf er auf Babu, die dabei war, mit flinken Bewegungen Möbel abzustauben. Sie hatte sein Eintreten nicht bemerkt. Die Halsraffung ihrer Bluse hatte sich gelockert und fiel weit über ihre Schulter. Das von wenigen silbrigen Strähnen durchzogene Haar war hochgerafft und legte ihren Nacken frei. Einst war Babu sicher eine rassige Frau, der kein Mann widerstehen konnte. Auch er geriet bei ihrem Anblick in Versuchung. Allerdings bezog sich diese auf das dickflüssige Zigeunerblut, welches er selbst aus der Entfernung riechen konnte. Seine Mundschleimhaut zog sich zusammen, Speichel sammelte sich unter seiner Zunge. Fest biss er die Zähne zusammen. Nein. Er würde sie nicht aussaugen. Das käme einem Widerspruch seiner Moral gleich. Auch wenn er sich längst mit seinem Schicksal arrangiert hatte, die Vorzüge der Unsterblichkeit zu schätzen wusste, bedeutete es nicht zwangsweise, sich ausschließlich seinen Instinkten zu ergeben. Im Gegenzug zu seiner Bereitschaft, Babu und ihrem Bruder Zuflucht auf Duart Castle zu gewähren, dienten die beiden ihm mit bemerkenswerter Diskretion. Er erkannte durchaus die Vorteile, obwohl er die meiste Zeit unterwegs war. Da war es nicht verkehrt, wenn jemand im Schloss verweilte und unaufgeforderte Besucher fernhielt.
Babus Hand fuhr fahrig über ihren schweißnassen Nacken. Die Geste rief augenblicklich ein Bild von Sue hervor, wie sie mit vor Begeisterung glänzenden Augen vor ihm gestanden hatte. Zwei Nächte waren seitdem vergangen und während dieser Zeit hatte sie fast jede freie Minute damit verbracht, am Typomat zu schreiben. Völlig vertieft in ihr Tun hatte sie nicht bemerkt, wenn er in der Tür stand. Er konnte sich darauf verlassen, dass sein Bann anhielt. Seine Anziehung auf sie war unbestreitbar, doch war sie zu unerfahren, um sofort zu verstehen. Der Keim war gesät. Jetzt musste er nur abwarten. Eine seiner leichtesten Übungen. Es würde sich zeigen, ob sie das war, was er in ihr vermutete, eine würdige Partnerin an seiner Seite. Zumindest für die Dauer eines menschlichen Lebens. Doch selbst wenn er mit Sue keinem ewigen Leben entgegenblicken konnte, wie es ihm einst mit Alice in Aussicht stand, wollte er keine voreilige Entscheidung treffen. Alice war Vergangenheit und sein Einzelgängerdasein frei gewählt.
Erst in den letzten Jahrzehnten war der Wunsch nach einer Frau an seiner Seite aufgekeimt. Wenn er auch eher nebensächlich sein Augenmerk genauer auf seine Begleiterinnen gerichtet hatte, war ihm bisher keine Sterbliche passend erschienen. Bis jetzt. Er konnte nicht mal genau bestimmen, was dieses Mädchen besonders machte. Ihr
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