Electrica Lord des Lichts
Tag. Seltsam. Das passierte ihm sonst nicht. Bis auf das eine Mal, als Alice in Todesgefahr geschwebt hatte. Doch am helllichten Tag war ein Vampir den Menschen gleichgestellt. Ohne besondere Kräfte war Cayden nicht schnell genug am Scheiterhaufen angekommen. Verletzbar wie ein Sterblicher war er nicht in der Lage gewesen, ins Feuer zu springen. Ohnehin war er zu spät gekommen. Längst glühten nur die Ketten am verkohlten Brandpfahl. Der Lynchmob hatte sich bereits aufgemacht, ihren nächsten Ketzer zu jagen. Baron Luthias. Cayden war nichts anderes übrig geblieben, als Alices Asche mit den Händen zusammenzukehren, um sie in Ehren aufzubewahren.
Der Schreck fuhr ihm durch die Glieder, als ihm bewusst wurde, dass er nur aus einem Grund von dieser Vorahnung geweckte worden sein konnte. Sue. Sofort fraß sich Sorge in sein Herz. Panik pulsierte auf. Sie musste in Gefahr sein. Verdammt. Was hatte sie nun wieder angestellt?
Augenblicklich griff er über sich und schob die steinerne Platte seiner Gruft zur Seite. Behände sprang er hinaus. Sein Blick fiel auf die reich verzierte Urne in einer Nische im Mauerwerk. Die Asche einer übermächtigen Vampirin auf ewig zur Ruhe gesetzt.
Nein. Dieses Mal würde er nicht zu spät kommen. Allen Widrigkeiten zum Trotz, die das Tageslicht bereithielt.
„Sie hat was getan?“, rief Cayden ungehalten.
Waloja zuckte zusammen und zog den Kopf ein. Kopfschüttelnd betrachtete Cayden seinen Diener. Natürlich war Waloja nicht in der Lage gewesen, seine Schwester Babu aufzuhalten. Schon gar nicht die eigensinnige Sue Beaton. Unfassbar, dass sie sich freiwillig in die Hände dieses korrupten Sheriffs begeben hatte. Ladung zur Anhörung. Lachhaft. Sie hätte doch erkennen müssen, dass es sich bei der Aufforderung um nichts anderes handelte als einen Haftbefehl. Der Sheriff hatte längst sein Urteil gefällt. Dazu brauchte er keine Aussagen von Verdächtigen. Die Tatsache an sich genügte. Sobald jemand in Verdacht geriet, war sein Schicksal besiegelt.
Indessen hatte Black seine Rechnung oline den Wirt gemacht. Cayden würde nicht wieder zulassen, dass ein willkürlicher Mensch ihm seine Geliebte nahm. Denn darüber war er sich mittlerweile im Klaren. Schon als er Sue seine wahre Natur offenbart hatte. Wie erwartet hatte sie ihm kein Wort geglaubt, sondern war davon ausgegangen, dass er sie mit einer Lügengeschichte vertreiben wollte. Zugegeben, für einen winzigen Augenblick kam ihm diese Wendung sogar gelegen. Doch in den Tagen ohne sie hatte er oft das Gefühl, sein Herz würde vor Sehnsucht verbrennen. Am liebsten hätte er sich in seiner Gruft angekettet, um dem Drang zu widerstehen, zu ihr zu eilen, ihr alles zu erklären. Er war sicher, nach dem ersten Schreck würde sie lernen zu verstehen. Sie war klug und schön obendrein. Sie war die Eine.
Gleichzeitig schaffte sie es, ihn aus der Reserve zu locken. Ihre Neugierde erregte ihn, machte ihn mitunter zornig. Dennoch genoss er diese Gefühlsregungen. Und jetzt wurde ihr diese bewundernswerte Eigenart zum Verhängnis, weil sie glaubte, bei ihm nicht willkommen zu sein. Cayden hatte nicht vor, diesen Schatz wieder zu verlieren, wo er ihn doch gerade erst gefunden hatte. Schon gar nicht an einem menschlichen Emporkömmling, der sich Sheriff nannte.
Fluchend begab er sich in sein Gemach. Dort warf er sich einen Umhang mit Kapuze über. Er lud seine Flinte und verstaute ein Beutelchen Schießpulver sowie Kugeln in seiner Seitentasche. Zuletzt legte er den Gürtel mit den beiden Jagdmessern um. Schließlich musste er auf alles vorbereitet sein, denn er war etwas aus der Übung im Menschsein. Seine Instinkte mahnten zur Dringlichkeit. Er musste sofort aufbrechen, auch wenn die Sonne um diese Zeit am höchsten stand. Selbst für schottische Wetterverhältnisse konnte das ein unangenehmes Unterfangen werden.
Damit er unbemerkt blieb, wählte er einen schmalen Pfad entlang der Küste. Kurz vor Ortsrand trieb er sein Pferd mit einem Klaps auf das Hinterteil davon. Trotz der Wärme zog er die Kapuze seines Umhangs tief ins Gesicht. Dennoch spürte er die Sonnenstrahlen wie winzige Feuerfunken auf seinen Schultern. Von hier aus blieb ihm nur der Weg über die Steilwand. Darunter lag der Seeweg, den die Schmuggler regelmäßig befuhren, weil sie auf der Seite des Gefängnisses unauffällig Mull umrunden konnten, um Duart Castle anzusteuern. Es war lange her, seit Cayden das letzte Mal die Klippenwand entlanggeklettert war. Als Junge
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