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Elefantengedaechtnis

Elefantengedaechtnis

Titel: Elefantengedaechtnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: António Lobo Antunes
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Lesezeichenseidenbändchen ist, trotz der Dächer, auf denen Plantagen von
Fernsehantennen blühen, die den Büschen von Miró ähneln. Der Psychiater, der nie ein Taschentuch bei sich hatte, wischte sich Rotz und Tränen mit dem grünen Tuch ab, mit dem er für gewöhnlich seinen warmen Christkindkrippenkuhatem von der Scheibe wischte, schaltete das Licht an (das beleuchtete Armaturenbrett kam ihm immer wie eine aus der Ferne gesehene kleine Stadt im Alentejo vor, in der gefeiert wird), und er startete den Motor des kleinen Autos, dessen Laufen sich in seinem Körper fortsetzte, als wäre er auch ein Teil dieses glatten, vibrierenden Getriebes. In einer Tür direkt neben ihm küßte ein junges Mädchen einen glatzköpfigen Herrn auf den Mund: Ihre Hüften besaßen die sinnliche Harmonie bestimmter, schnell hingeworfener Zeichnungen von Stuart Carvalhais, und der Arzt beneidete zutiefst das häßliche Männlein, das das Mädchen liebkoste und dabei die vorquellenden Graubarschaugen rollte: Der gelbe amerikanische Wagen mit den grünen Scheiben gehörte zweifellos ihm; das am Rückspiegel hängende Plastikskelett hatte dieselbe Wellenlänge wie der Ring, den er am kleinen Finger trug, ein englisches Pfund in Gold, von drei Silberzähnchen gehalten. Wenn ich die Tochter meiner Waschfrau heiraten würde, wäre ich vielleicht glücklich, rezitierte der Psychiater laut, während er den Kerl ansah, der aus dem offenen Mund jene Siedegeräusche ausstieß, mit dem Leute mit künstlichem Gebiß zu heißen Kaffee trinken: Wenn ich in seinem Alter bin, werde ich Küsse wie Suppe essen und am Ende die Zähne mit Zahnstochern bearbeiten, um unangenehme Zärtlichkeitsreste aus den Backenzähnen zu befördern; und vielleicht interessiert sich dann ja ein Mädchen wie dies da für meine Menhirsreize.
    Oh darkness darkness darkness: formlose Nacht, die flüssig
aus den Häusern rinnt, im Erdgeschoß entspringt, im Asphalt, in den Teichen, den Büschen, der reglosen Stille des Flusses, in den Truhen und Kommoden der Flure alter Häuser, die gefüllt sind mit der Kleidung von Toten: Der Arzt erreichte die Avenida Defensores de Chaves und fuhr langsam in der unsinnigen Hoffung, die Zeit würde rasend schnell rollen und er sich drei Block weiter vierzigjährig und glücklich in einer Villa in Estoril wiederfinden, von Windhunden mit Stammbaum, guten Bucheinbänden und blonden Kindern umringt, denn er wußte, daß vor ihm eine unruhige, stürmische Traurigkeit lag, deren Ende, wenn es überhaupt eines gab, er in der Ferne nicht sah. Normalerweise bekämpfte er diese Zustände, indem er zum Schlafen in ein Hotel nach dem anderen zog (vom Rex ins Impala, vom Impala ins Penta, vom Penta ins Impala) und so morgens den eigenartigen Schock erlebte, in einem unpersönlichen, fremden Zimmer aufzuwachen, zum Fenster zu gehen und dort unten die übliche Stadt zu sehen, den üblichen Verkehr, die üblichen Leute, und ich, heimatlos im eigenen Land, wusch mir mit einem Probestückchen Feno-de-Portugal-Seife, einer Aufmerksamkeit der Geschäftsführung, die Achseln und ließ die Schlüssel mit falscher Ferienlässigkeit am Empfang zurück.
    Der Psychiater umrundete die Praça José Fontana, wo er zum erstenmal, als er gerade aus dem Gymnasium gekommen war, zwei Hunde beim Liebesakt gesehen hatte, die vom beträchtlichen puritanischen Zorn der Kastanienverkäuferin verfolgt wurden, die im Sommer ihr dreirädriges Gefährt mit Eis bestückte und auf diese Weise die gleiche beneidenswerte Geschmeidigkeit an den Tag legte wie die einheimischen Politiker; sieben Jahre lang durchquerte ich täglich die Bäume dieses
Parks, der zu gleichen Teilen von Rentnern und Kindern bevölkert war und ein Pissoir unter dem Musikpavillon besaß, das von einem Zerberus der Stadtverwaltung bewacht wurde, der von der Morgenröte an unter den wandelbaren Launen einer chronischen Trunkenheit litt: Der Arzt stellte sich immer vor, er sei heimlich mit der Frau vom Kastanien-Eis-Dreirad verheiratet, mit der er sich bei Einbruch der Dunkelheit mit einem Saugnapfgeräusch vereinte und dann im Ehegemach der Toiletten, das mit erklärenden Zeichnungen dekoriert war, die wie die Plakate an den Erste-Hilfe-Posten die Wechselfälle der Mund-zu-Mund-Beatmung erläuterten, seine Alkoholrülpser mit ihrem polaren Vanilleatem vermischte. Ein alter Homosexueller mit geschminkten Wangen spazierte zwischen den Bänken umher und beobachtete die Schüler mit Blicken wie klebrige Bonbons. Und

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