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Elegie - Fluch der Götter

Elegie - Fluch der Götter

Titel: Elegie - Fluch der Götter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Carey
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nein!«
    In der Kammerecke gab Cerelinde einen unartikulierten Laut von sich.
    »Dann wird es ein anderer tun, Heerführer.« Unter großen Anstrengungen drehte der Schöpfer den Kopf. Seine Augen waren dunkel und klar, klar wie die eines Kindes, aber viel, viel älter. Das rote Schimmern der Wut war in ihnen verblasst, als wäre es zusammen mit dem Feuermark ausgelöscht worden. So mussten sie vor langer Zeit dreingeblickt haben, bevor die Welt gespalten wurde, als Satoris der Drittgeborene durch die Tiefen der Erde gewandert war und mit den Drachen gesprochen hatte. Sein Mund verzog sich zur schwachen Andeutung eines Lächelns. »Am Ende wird es ein anderer tun.«
    Mit einem lauten Schlag wurde einer der Türflügel am oberen
Ende der Wendeltreppe aufgeworfen; es war der linke, Uschahins Durchgang. Als er mit dem Schwert in der Hand eintrat und sich wild umschaute, sprang Tanaros auf die Beine.
    »Traumspinner«, sagte er.
    »Tanaros.« Am oberen Ende der Treppe geriet Uschahin ins Schwanken, fand jedoch rasch das Gleichgewicht wieder. »Sie sind beim Tor.« Er sah sich verblüfft in der Kammer um. »Mein Fürst«, sagte er mit seltsam hohl klingender Stimme. »Ach, mein armer Fürst!«
    »Er lebt noch«, sagte Tanaros unwirsch. »Er hat mich gebeten, den Dolch herauszuziehen und damit ein Ende zu machen.«
    Uschahin lachte; es war ein schrecklicher, freudloser Laut. Darin lag alle Bitterkeit seines verrückten, nutzlosen Wissens über das Ende, das er nicht hatte abwenden können. »Hast du nicht geschworen, ihm immer zu gehorchen, Vetter? Bist du denn nicht Tanaros Schwarzschwert, sein treuer Heerführer?«
    »Ja«, sagte Tanaros. »Aber ich glaube, das hier ist deine Aufgabe, Traumspinner.«
    Sie tauschten einen langen Blick. Für einen Moment hatte es den Anschein, als wären sie allein in dieser Kammer. Die Worte des Schöpfers lagen unausgesprochen zwischen ihnen. Sie gehörten zu den Drei, und einiges mussten sie nicht laut aussprechen. »Und sie?«, fragte Uschahin schließlich und deutete mit dem Kopf auf Cerelinde. »Wer erledigt sie ?«
    Tanaros hob sein schwarzes Schwert. »Ich.«
    »Dann sei es so.« Uschahin neigte kurz den Kopf, steckte sein eigenes Schwert in die Scheide und stieg die Treppe herunter. Er überquerte die geborstenen Steinplatten, ging neben dem Körper des Schöpfers auf die Knie und stellte das Futteral mit dem zerbrochenen Helm an seiner Seite ab.
    »Ich bin hier, mein Fürst«, murmelte er. »Ich bin hier.«
    Tanaros beobachtete ihn mit dem Schwert in der Hand.
    In dem ungewissen Licht schien der Körper des Schöpfers aus geronnener Dunkelheit zu bestehen. Uschahin fühlte sich klein und zerbrechlich neben ihm; seine Missgestalt war wie eine traurige Verspottung
von Satoris’ gefallenem Glanz — alles außer seinem rechten Arm, der so wunderschön und grausam neu geschaffen worden war.
    Die schwerste aller Aufgaben war nun ihm zugefallen. Irgendwie hatte er das Gefühl, als hätte er es schon immer gewusst. Am Ende war sein Schicksal doch stets das schwerste gewesen. Er hatte das große Muster erkannt, er hatte mit Calanthrag der Ältesten gesprochen. Es passte alles zusammen. Uschahin kniete auf den Steinfliesen und beugte sich hinunter. Die Spitzen seines mondbleichen Haares tauchten ein in Pfützen schwarzen Ichors.
    »Was ist Euer Wille, mein Fürst?«, fragte er.
    Die Lippen des Schöpfers teilten sich. Eine schreckliche Klarheit lag in seinen dunklen Augen, die erfüllt waren von Wissen und Mitleid. »Zieh ihn heraus«, keuchte er zur Antwort; seine Worte waren beinahe unhörbar. »Und mach ein Ende. Der Neubeginn fällt dir zu, Traumspinner. Ich gebe dir meinen Segen.«
    Uschahins Schultern zuckten. »Seid Ihr sicher?«
    Der Schöpfer schloss die Augen. »Such das Delta auf. Du kennst den Weg.«
    Mit einem Fluch hob Uschahin die rechte Hand. Sie war für diese Aufgabe geschaffen worden. Sie war stark und fest. Er legte sie auf den groben Knauf des Splitters. Rotes Licht pulsierte in ihm, leuchtete zwischen Uschahins Fingern und erhellte seine Haut.
    Der Splitter besaß die Macht, die Welt neu zu erschaffen, und Uschahin wollte diese Macht nicht an sich bringen.
    Doch sie war nun die seine.
    »Lebt wohl, mein Fürst«, flüsterte Uschahin und zog den Gottestöter heraus.
    Dunkelheit wallte in der Kammer auf. Die Gestalt des Schöpfers schwand dahin, als ihre Substanz allmählich mit den Schatten und dem Rauch verschmolz und nichts als treibende, obsidianfarbene Asche

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