Elegie - Fluch der Götter
nach.
Meara war geblieben. »Wollt Ihr mich nicht bestrafen?«, fragte sie wehklagend.
»Welche Bestrafung wäre angemessen für dich?«, fragte Uschahin. »Deine Reue kommt für den Fürsten Satoris zu spät. Ich werde mich später um dich kümmern, Meara von Finsterflucht. Geh jetzt und hilf den anderen.«
Sie verneigte sich und verließ das Zimmer.
Mit der gezückten Schwertklinge in seiner starken rechten Hand schob Uschahin den Wandbehang ganz beiseite. Er packte das Futteral mit dem zerbrochenen Helm fester und stürzte sich in den Geheimgang.
Einen Augenblick lang stieg die blendend helle Feuersäule weiter auf.
Dani, der Träger, stand mit hohlen Händen in ihr — und lebte noch. Durch die Schleier aus blau-weißen Flammen sah er Tanaros an. Seine gesprungenen und ausgedörrten Lippen flüsterten nur ein einziges Wort.
»Uru-Alat!«
Dann nahm er die Hände auseinander, und das Wasser des Lebens fiel — plätschernd, langsam, glitzernd. Der süße, saubere, unerträgliche Duft des Wassers erfüllte die Höhle; es war, als hätte sich alles Wasser der Welt in den Händen des Trägers versammelt.
Eine Handvoll, nicht einmal das, kaum ein Mundvoll.
Es war genug.
Die Quelle des Feuermarks, die riesige, fauchende Säule aus blau-weißem Feuer, erlosch. Tanaros riss den Mund auf und erhaschte einen letzten Blick auf die Gestalt des Trägers, die zu Boden stürzte.
Und dann war er in der Dunkelheit der Eingeweide von Finsterflucht gefangen.
Die Quelle war versiegt.
Das Feuermark war ausgelöscht.
Zwölf Herzschläge lang sah Tanaros nur Schwärze. Er steckte sein Schwert zurück in die Scheide und tastete blind umher. Allmählich gewöhnten sich seine Augen an die neue Dunkelheit, und er bemerkte, dass schwache Spuren des Lichts zurückgeblieben waren. Die blau-weißen Adern in den Steinwänden waren noch da, aber ihr Glanz verebbte ganz langsam. Wenn das Feuermark erloschen und der Gottestöter befreit ist …
Eine neue Zuckung der Angst erfasste ihn. »Der Gottestöter«, sagte Tanaros.
» Uru-Alat .«
Das Wort schien von überall und nirgends zu kommen. Der Name des Weltengottes ertönte in jeder Ecke der Kammer, war Gebet, Bitte und Versprechen zugleich. Er brachte den Duft des
Wassers mit, der für einen Moment den süßen Beinhausgeruch des Ichors überdeckte.
In der Mitte des Raumes hob Satoris der Drittgeborene den mächtigen Kopf.
»Jetzt«, sagte er. »Jetzt ist es so weit.«
Von einem Augenblick zum nächsten verschwand die glitzernde Feuersäule, und der Raum wurde in Finsternis gehüllt. Einen Atemzug lang schien der Gottestöter noch in der dunklen Luft des Beckens zu schweben, wo zuvor das Feuer gebrannt hatte, dann fiel er klappernd auf die Steine; das Geräusch hallte in dem leeren Becken wider. Da lag er nun, unbeschädigt, und sein karmesinrotes Licht pulsierte heftig in der Finsternis.
Unwillkürlich löste sich ein Schrei von Cerelindes Lippen. So rasch wie ein Gedanke schoss sie auf den erloschenen Brunnen zu. Überall um sie herum brodelten die Schatten, die sich zu sammeln schienen, als der Schöpfer näher kam. Doch auch wenn ihre Muter aus dem Hause Elterrion stammte, so war doch ihr Vater ein Abkömmling von Numireth dem Flinken, der schneller als die Finsternis gewesen war. Cerelinde bückte sich und packte den Griff des Dolches.
Des Gottestöters.
Er pochte in ihrer Hand und sang ein wortloses Lied der Macht, bei dem das Blut in ihren Adern schneller kreiste. Es war die Macht eines Schöpfers; eine Macht, von der sie nicht wusste, wie sie sie benutzen sollte. Doch das war gleichgültig. Es war ein Splitter der Souma und diente noch einem anderen Zweck. Cerelinde richtete sich auf, wirbelte herum und war bereit, den Schöpfer abzuwehren.
Er hatte sich nicht bewegt.
»Ihr seht, ich habe mein Wort gehalten«, murmelte er. Er machte einen Schritt auf sie zu und breitete die Arme aus. »Beendet Eure Aufgabe.«
Obwohl sie nicht sagen konnte, um wen sie weinte, traten ihr die Tränen in die Augen, und ihr Blick verschwamm. Cerelinde packte den Griff des Gottestöters fester. »Warum?«, fragte sie. Ihre Stimme war heiser vor Kummer. » Warum? «
Der Schöpfer lächelte. »Alle Dinge müssen so sein, wie sie sind, kleine Schwester.«
Er machte noch einen Schritt nach vorn, und noch einen; nun ragte er hoch vor ihr auf. Das saubere Aroma des Wassers war verschwunden, und der süße, kupferige Geruch des Ichors drang ihr in die Nase. Schöpferblut, vor
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