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Elegie - Fluch der Götter

Elegie - Fluch der Götter

Titel: Elegie - Fluch der Götter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Carey
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hinterließ. Es gab keinen Aufschrei, kein Erzittern der Erde, nur eine Regung in der Luft wie ein lange angehaltener Seufzer und ein Gefühl des Übergangs, als ob sich zwischen zwei Herzschlägen das gesamte Fundament des Seins um die eigene Achse gedreht hätte.

    Still und ohne Aufsehen hatte sich die Welt für immer verändert.
    Uschahin stand auf und hielt den Gottestöter in der Hand. »Jetzt bist du dran, Vetter«, sagte er rau und müde.
     
    Cerelinde weinte, als der Schöpfer starb.
    Es war gleichgültig, wer am Ende den Dolch aus seiner Brust zog. Sie hatte ihn getötet. Er hatte unbewaffnet vor ihr gestanden und die Hand ausgestreckt. Sie hatte ihm den Gottestöter in die Brust gerammt. Und Satoris der Drittgeborene hatte gewusst, dass sie es tun würde. Er hatte es zugelassen.
    Sie verstand es nicht.
    Sie würde es nie verstehen.
    Sie sah zu, wie Uschahin aufstand und mit schwacher Stimme zu Tanaros sprach. Sie sah, wie dieser schluckte und den wulstigen Kreis seines gebrandmarkten Fleisches unter dem fleckigen, ausgepolsterten Hemd betastete. Mit erhobenem Schwert ging er langsam auf sie zu. Als sie unter dem Schatten seiner Waffe stand, machte sie keinen Versuch zu fliehen. Die Tränen rannen ihr in einer breiten, glänzenden Spur die hellen Wangen hinab.
    Ihre Blicke trafen sich, und seine waren genauso ruhelos wie ihre. Auch er hatte einmal eine Klinge in einen widerstandslosen Körper gerammt. Auch er hatte das Blut derer vergossen, die er liebte und die ihn verraten hatten. Er verstand den Preis, den sie für ihre Tat zu zahlen hatte.
    »Es tut mir leid«, sagte er zu ihr. »Es tut mir so leid, Cerelinde.«
    »Ich weiß.« Sie sah ihn aus dem Schatten der schwarzen Klinge an. »Ach, Tanaros! Ich habe nur das getan, was ich tun musste.«
    »Ich weiß«, erwiderte er düster. »Genau wie ich.«
    »Aber es wird nichts bewirken.« Sie stieß ein verzweifeltes Lachen aus. »Wisst Ihr, es gibt noch eine andere. Der Fürst hat es mir gesagt. Elterrion hatte eine zweite Tochter aus einer unrechtmäßigen Beziehung. Das wenigstens hat er mir gesagt. ›Irgendwo unter den Riverlorn geht Eure Linie weiter.‹«
    Tanaros hielt inne. »Und das habt Ihr ihm geglaubt?«
    »Nein«, flüsterte Cerelinde. »So etwas geschieht äußerst selten
bei den Ellylon. Dennoch war es seine Gabe — wenn er denn eine besaß –, solche Dinge zu wissen.« Sie zitterte; es war so zart und fein wie das Zittern einer Mortexigus-Blume, wenn sie ihre Pollen verteilte. »Ich weiß nicht mehr, was ich glauben soll. Er hat gesagt, meine Mutter habe zu ihm gebetet, kurz bevor sie bei meiner Geburt gestorben ist. Glaubt Ihr, das stimmt, Tanaros?«
    »Ja«, sagte er sanft. »Das glaube ich, Cerelinde.«
    Uschahins Stimme ertönte harsch und ungeduldig. »Bring es hinter dich, Vetter.«
    Tanaros verlagerte den Griff um den Knauf seines schwarzen Schwertes. »Die Irrlingsf rau hatte recht«, murmelte er. »Sie hat mir gesagt, Ihr würdet all unsere Herzen brechen, Hohe Frau.« Er sprach ihren Namen ein letztes Mal aus. »Cerelinde.«
    Sie nickte und schloss die Augen. Was immer der Wahrheit entsprechen mochte, so wusste sie jetzt immerhin, dass die Welt nicht so war, wie sie ihr erschienen war. Cerelinde hob das Kinn und bot ihm ihre Kehle dar. »Macht es schnell«, sagte sie mit brechender Stimme. »Bitte.«
    Tanaros’ erhobener Arm zitterte. Seine Handflächen waren rutschig vor Schweiß, und sie schmerzten von den vielen Schnitten und Rissen, die er sich beim Aufstieg zugezogen hatte. Er war müde, sehr müde, und es tat weh, die Hohe Frau anzusehen.
    Irgendwo in Finsterflucht ertönten Geräusche; es war ein Rufen. Der Fürst war tot, und der Feind stand vor den Toren.
    Eine blaue Ader pulsierte unter der hellen Haut von Cerelindes entblößter Kehle.
    Er erinnerte sich daran, wie sich die Kehle seiner Frau unter seinen Händen angefühlt hatte, und er dachte an den Ausdruck der Verblüffung auf Roscus’ Gesicht, als er ihn mit dem Schwert durchbohrt hatte. Er erinnerte sich an das verdämmernde Licht auf dem Gesicht Ingolins des Weisen, des Fürsten der Riverlorn. Er erinnerte sich daran, wie der Träger zitternd am Rande der Quelle gestanden hatte; seine dunklen Augen hatten so sehr denen von Ngurra, dem Yarru-Ältesten, geglichen.
    Ich kann dir nur die Wahl lassen, Königsmörder .

    Keiner von ihnen hatte eine solche Tat wie sie begangen. Wegen ihr lebte Fürst Satoris der Drittgeborene, der früher der Säende genannt worden

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