Elegie - Fluch der Götter
er sich zum letzten Mal ein richtiges Mahl erlaubt hatte. »Was hast du mir mitgebracht? Es riecht köstlich.«
»Küken, Herr«, sagte sie knapp. »Und anderes.« Sie beobachtete den zweiten Irrling, wie dieser den Tisch deckte. »Vergebt uns, Heerführer, aber wir können nicht bleiben. Andere von uns werden beizeiten zu Euch kommen und sich um alles kümmern.«
Tanaros runzelte die Stirn. »Verlangt der Traumspinner nach eurer Gegenwart, Meara? Oder habe ich dich in irgendeiner Weise beleidigt?«
Sie hob den Blick und sah ihn an. »Erinnert sich mein Fürst daran?«
Jetzt tat er es. Ihr Gewicht, breitbeinig über ihm. Ihr Duft, Frauenhaut, warm und erdig. Ihre Zähne, die an seinen Lippen knabberten, ihre tastende Zunge. Seine Hand, die ihr Gesicht schlug, hart genug, dass Blut austrat. Tanaros errötete bis unter die Haarspitzen.
Er hatte es vergessen.
»Ja«, sagte Meara. »Genau das.«
»Bitte.« Er machte eine tiefe, höfliche Verbeugung und schenkte ihr so das volle Maß an Ehrerbietung, das jeder Frau zustand. »Erlaube mir, mich bei dir noch einmal zu entschuldigen, Meara. Vergib mir, denn ich hatte nicht vor, dich zu schlagen.«
»Oh, Ihr glaubt, das ist es, worum Ihr vor allem um Entschuldigung
bitten müsst, mein Fürst?« Sie stemmte eine Hand in die Hüfte. »Egal. Das habe ich Euch von Anfang an vergeben.«
»Was ist es dann?«, fragte Tanaros ernst. »Sage es mir, und ich werde es wiedergutmachen.«
»Nein.« Sie nagte an ihrer Lippe und schüttelte den Kopf. »Ich glaube nicht, Fürst. Nicht, wenn Ihr erst danach fragen müsst. Manche Dinge kann man nicht wiedergutmachen. Und ich bin eines davon.« Meara zitterte, verschränkte die Arme vor der Brust und stieß ein harsches Lachen aus. »Fragt die Hohe Frau, wenn Ihr es wissen wollt. Sie hat von Eurer Rückkehr erfahren. Sie wartet, auch wenn sie das nicht zugibt.«
»Tut sie das?« Er bemühte sich, höflich zu klingen.
»O ja«, sagte sie und sah ihn eingehend an. »Sie fürchtet Euch nicht so sehr wie die anderen. Ich glaube, sie hat in Euch eine gewisse Freundlichkeit entdeckt, die sie Euch vergelten will. Seid vorsichtig, Fürst. Darin liegt Gefahr.«
Tanaros zuckte die Schultern. »Sie ist eine Geisel, Meara. Sie kann keinen Schaden anrichten.«
Ihre zernagten Lippen krümmten sich zu einem freudlosen Lächeln. »Dann geht zu ihr. Eines Tages werdet Ihr daran denken, dass ich Euch gewarnt habe. Das habe ich von Anfang an getan. Es war ein Fehler, sie hierherzubringen.« Sie gab ihrem Gefährten ein Zeichen und ging zur Tür.
»Meara«, rief Tanaros hinter ihr her.
»Ich muss gehen, mein Fürst.« Sie verließ das Zimmer, ohne einen Blick zurückzuwerfen. »Benutzt die Klingel, wenn Ihr noch etwas braucht.«
Er schaute ihr einen Moment lang nach, dann schloss er die Tür. Der Duft ihres Essens rief ihn zu Tisch. Trotz seines Hungers, der sich in den Wochen der Entbehrung angesammelt hatte, wartete er noch eine Weile und genoss ihre Worte.
Cerelinde wartete auf ihn.
Uschahin Traumspinner saß mit gekreuzten Beinen auf einem hohen Hackblock.
Überall um ihn herum drängten sich seine Irrlinge, kämpften um den besten Platz, streckten die Hände aus und berührten sein Knie oder seinen Fuß, um sich seiner zu vergewissern. Er saß da und wartete, bis alle sich eingefunden hatten – nicht nur die Köche und Dienerschaft, sondern auch die Wäscher, die Mägde und die Stallburschen. All jene, die sich um die ruhmreiche Festung des Fürsten kümmerten.
Sein Volk.
Die Küche von Finsterflucht war heiß und fettig und voller Kochdünste. Für die Irrlinge war dies ein sicherer Hafen, einer der wenigen Orte in der Festung, an denen sie den Trost einer vertrauten Umgebung genießen konnten. Hier hatten sie ihre eigene Gesellschaft und ihre eigene Hierarchie errichtet. Köche, die von einem wahnsinnigen kulinarischen Genius besessen waren, arbeiteten Hand in Hand mit schwachsinnigen Gehilfen und fanden dabei eine gemeinsame Basis. Alle waren stolz auf ihre Arbeit und wussten, dass Finsterflucht ohne sie nicht auskommen konnte, und die Küche war der Gipfelpunkt dieses Stolzes.
Uschahin machte es nichts aus, hier zu sein. Diese Atmosphäre tat seinen schmerzenden Gelenken gut und erinnerte ihn an die feuchte, fruchtbringende Luft im Herzen des Deltas. Die Dampf ausstoßenden Öfen hätten auch Calanthrags Nüstern sein können. Dieser Gedanke freute ihn, aber er verbarg ihn vor seinen Irrlingen.
Ihre zugleich überschwängliche
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