Elegie - Fluch der Götter
der gleißenden Helligkeit trat eine Gestalt. Es war der Galäinridder, der Leuchtende Reiter, der auf einem Pferd saß, das wie Meeresgischt im Sternenlicht glänzte. Der breite Brustkorb des Tieres wogte voran wie der Kamm einer Welle, die sich an den Weltenklippen brach. Das Gewand des Reiters war weiß, und sein weißer Bart fiel ihm bis auf die Brust. Darin eingebettet war ein Juwel so klar wie Wasser, so hell wie ein Diamant, so strahlend, dass es schmerzhaft war, es zu betrachten.
»Grenzwacht!«, dröhnte Aracus’ Stimme, während er sein Schwert aus der Scheide zog. »Umzingelt ihn!«
Sie gehorchten rasch; ihre graubraunen Umhänge flatterten in der Brise, während sie den Leuchtenden Reiter einkreisten, der gelassen sein Pferd zügelte und wartete. Blaise nickte Fianna zu, während er sich zu den anderen gesellte und Lilias in ihrer Obhut ließ. Auf eine Handbewegung von Lorenlasse hin legten die Riverlorn Pfeile an ihre Bogen.
»Was soll das, Aracus?« Der Reiter lächelte in seinen Bart
hinein. »Habe ich mich so verändert, dass du mich nicht mehr erkennst?«
»Ich hoffe, dass ich Euch erkenne.« Aracus stieß die Absätze in die Flanken seines Pferdes und begab sich in die Reichweite des Reiters. Seine Stimme klang fest, und die Spitze seines Schwertes hielt er gegen den Reiter gerichtet. »Aber ich befürchte, dass ich Euch nicht kenne. Seid Ihr wirklich Malthus, oder seid Ihr eine List des Weltenspalters?«
Der Reiter breitete die Arme aus. »Ich bin der, den du siehst.«
Das Sonnenlicht brach sich schillernd in dem hellen Juwel. Lilias zuckte unter dem Glanz zusammen. Rechts von ihr spannte Fianna Oronins Bogen; der Pfeil zielte genau auf Lilias’ Herz.
Niemand sonst bewegte sich.
Aracus Altorus brach in ein unerwartetes Grinsen aus. »Das ist die richtige Antwort für einen Zauberer.« Er steckte sein Schwert zurück in die Scheide, beugte sich vor und streckte die Hand aus. »Willkommen, Gesandter! Wir hatten schon befürchtet, Ihr wäret tot.«
»Ach, Junge.« Um Malthus’ Augen bildeten sich zahllose Lachfältchen, als er Aracus’ Hand ergriff. »So leicht bin ich nicht umzubringen. «
Die Grenzwächter stießen ein spontanes Freudengeheul aus. Bei den Riverlorn gab es keinen Jubel, aber sie senkten ihre Bogen und steckten die Pfeile zurück in die Köcher. Lilias wandte den Kopf und sah, dass Fianna ihren Pfeil noch immer aufgelegt hatte und damit auf sie zielte. In ihrem Blick lag Misstrauen.
»Wie?«, fragte Aracus nur.
»Es hat viele Tage gedauert«, sagte Malthus, »denn ich habe meine Kraft dabei aufgezehrt, den Geheimhaltungszauber aufrechtzuerhalten, der den Träger vor den Augen des Weltenspalters verbirgt. Die Kraft, die mir noch verblieben war, habe ich im Kampf mit dem Königsmörder verloren. Als der Weltenspalter den Marasoumië zerstörte, war ich darin gefangen und wusste kaum, wer ich war – und erst recht nicht, wo ich mich befand. Doch am Ende habe ich mich befreien können.« Er berührte das weiße Juwel auf seiner Brust
und machte ein ernstes Gesicht. »Ich fürchte, es wurde ein hoher Preis dafür bezahlt, meine Freunde. So wie ich verwandelt wurde, wurde auch der Soumanië verwandelt. Er ist ein helles Licht an einem dunklen Ort, das vielleicht die Seelen der Menschen erhellt, aber nicht mehr die Macht des Schöpfens besitzt.«
Ein besorgtes Murmeln lief durch die Ränge von Haomanes Verbündeten.
»Ist das alles?« Aracus Altorus lachte und nahm das goldene Band von seiner Stirn. Zum ersten Mal, seit ihm Cerelinde weggenommen worden war, lag wieder Freude in seinem Ausdruck. »Hier«, sagte er und bot es Malthus an. »Die Überreste vom Beschtanag. Mir nützt es nicht. Eigentlich hatte ich Euch bitten wollen, mir zu zeigen, wie man es benutzt, aber in Euren Händen ist das Juwel besser aufgehoben, Malthus. Ich bin kein Zauberer, sondern ein Krieger.«
Am Ende der Kolonne gab Lilias ein ersticktes Geräusch von sich.
»Ach, mein Junge.« Malthus betrachtete das Stirnband in Aracus’ Hand; das Gold leuchtete hell im Sonnenlicht, doch der Soumanië war matt und leblos. »Wahrlich«, murmelte er, »du hast das Herz eines Königs. Wenn nur das Juwel genauso leicht verschenkt werden könnte. Nein.« Er schüttelte den Kopf. »Du kannst es nicht weggeben, Aracus. Der Soumanië muss von einem Toten ererbt oder freiwillig von einem lebenden Eigentümer aufgegeben werden. Bis das geschieht, vermag ich damit nicht mehr zu bewirken als du.«
Aracus runzelte die
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