Elegie - Fluch der Götter
schnell, alle zusammen im Rudel. Es sieht nicht einmal so aus, als würden sie jagen. Ich glaube, sie finden uns nicht«, fügte er hoffnungsvoll hinzu. »Vielleicht suchen sie gar nicht nach uns.«
»Nein.« Onkel Thulu hustete schwach, keuchte auf und fuhr sich mit der Hand über die Brust. Im schwachen Licht war deutlich zu erkennen, dass die austretenden Körperflüssigkeiten dunkle Flecken auf seinem Hemd hinterließen. Trotz Danis Bemühungen, die Wunden zu säubern und zu versorgen, eiterten sie immer noch. Gestern hatten sie damit begonnen, totes Fleisch abzulösen, und nun stank es in der kleinen Höhle danach. »Hilf mir, damit ich mich aufsetzen kann.«
Bereitwillig brachte Dani ihn in eine sitzende Position, sodass er die Höhlenwand im Rücken hatte. »Besser so?«
»Ja«, flüsterte Onkel Thulu und leckte sich die trockenen, aufgesprungenen Lippen.
»Hier.« Dani bewegte sich leise und geschwind zum Eingang der Höhle. Hier lag in einer kleinen Vertiefung an der einen Seite ein Bündel Moos, das er gesammelt hatte. Es hatte sie während der letzten drei Tage ernährt. Dani ergriff einen glatten Stein und mahlte das schwammige Moos zu einer feuchten Paste. Er nahm eine Handvoll, kehrte in die Höhle zurück und hockte sich neben seinen Onkel. Mit sanften Bewegungen verteilte er die Paste auf den gerissenen Lippen des alten Yarru. »Versuch etwas zu essen.«
Onkel Thulus Mund arbeitete unter Schwierigkeiten, und seine schwerfällige Zunge nahm die Moospaste auf. Dani blinzelte die Tränen weg und strich eine weitere Portion auf die Lippen seines Onkels. Es befand sich Feuchtigkeit darin – nicht viel, aber genug, um damit zu überleben. Es war das Einzige, das sie in einem Umkreis von einer halben Tagesreise um ihr Versteck herum hatten
finden können. Und wenn er nicht einen vereinzelten Elch gesehen hätte, der daran gefressen hatte, wäre er nie auf den Gedanken gekommen, es mit dem Moos zu versuchen. Aber es hatte seinen Onkel bisher am Leben erhalten.
Allerdings nur knapp.
»Genug.« Onkel Thulu packte Danis Handgelenk mit drängender Kraft und sog tief und rasselnd die Luft ein. »Dani, hör mir zu.«
»Ja, Onkel.« Die Brust tat ihm weh vor Angst und Liebe.
»Sie fangen von vorn an. Deswegen sind sie so schnell unterwegs. Sie gehen zurück und nehmen unsere Fährte neu auf. Und wenn es jetzt mehr sind, dann werden sie uns diesmal nicht verfehlen.« Thulus Augen leuchteten unnatürlich hell in seinem ausgemergelten Gesicht. »Dani, du musst gehen. Sofort .«
»Das werde ich nicht tun.« Er wollte nicht hören, was Thulu zu sagen hatte. »Nicht ohne dich.«
Sein Onkel sagte es trotzdem. »Ich sterbe, Dani.«
»Wie wäre es, wenn wir zurückgehen?« Dieser Gedanke schien ihm die Rettung zu sein. »Wir könnten warten, bis sie an uns vorbeigelaufen sind, und dann nach Süden gehen! Sie werden uns nicht mehr jagen, sobald wir das Fjel-Land hinter uns gelassen haben, und die Stakkianer … nun, sie sind bloß Menschen, und vor Menschen können wir uns gut verstecken, Onkel! Und dann bringen wir dich nach Hause, wo …«
»Dani.« Onkel Thulus Griff um sein Handgelenk wurde noch fester. »Ich gehe nirgendwohin«, sagte er sanft. »Verstehst du? Hier ist meine Reise zu Ende. Es tut mir leid, mein Junge. Du musst jetzt ohne mich weitergehen.«
»Nein!« Dani zog die Hand weg und umfasste das Tonfläschchen vor seiner Brust. »Warum?«, fragte er wütend. »Etwa dafür ? Das ist es nicht wert. Das ist nicht gerecht, Onkel.« Mit aller Kraft riss er an der Flasche. Kurz brannte das geflochtene Band, an dem sie hing, auf der Haut seines Nackens, dann riss es mit einem leisen Knall. Dani hielt die Flasche in der Hand. Heiße Tränen brannten in seinen Augen, und seine Stimme zitterte. »Ich habe nicht darum gebeten , der Träger zu sein. Was hat Satoris denn den Yarru-yami getan, weswegen
wir ihn vernichten sollen? Es ist doch nicht seine Schuld, dass Haomanes Zorn die Wüste versengt hat. Er hat nur versucht, sich zu verstecken ! Und wenn er es nicht getan hätte … wenn er es nicht getan hätte, dann hätten wir nicht das Wasser des Lebens gefunden! Dann wären wir nicht die Bewahrer von Birru-Uru-Alat. Wir wären nicht das, was wir jetzt sind !«
Die Andeutung eines Lächelns huschte über Thulus aufgerissene Lippen. »Das sind Fragen, die dem Träger wohl zustehen«, flüsterte er. »Aber du wirst die Antwort allein finden müssen.«
Dani öffnete die Hand und starrte auf die kleine
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