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Elegie - Fluch der Götter

Elegie - Fluch der Götter

Titel: Elegie - Fluch der Götter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Carey
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auf Dani zu. Er bückte sich, packte den Jungen unter den Armen und stellte ihn auf die Beine. Hinter ihnen kletterte eine dunkle Gestalt den Hang hinunter. »Komm, Junge, lauf. Lauf!«
    Er lief.
    Es war keine Frage des Schmerzes mehr. Der Schmerz war nur ein Bestandteil seiner Existenz, ein vertrautes Geräusch im Hintergrund. Seine Glieder arbeiteten, also waren keine weiteren Knochen gebrochen. Das Tonfläschchen war unbeschädigt und schlug ihm gegen die Brust, während er rannte. Die erste halbe Meile hindurch befeuerte schieres Grauen seine Flucht. Dann aber wurden seine Schritte langsamer.
    Nun machte sich Erschöpfung breit.
    So hart seine Lunge auch arbeitete, Dani konnte nicht mehr genug Luft in sie hineinpumpen. Er rang unter Zuckungen nach Atem. Grelle Lichtblitze erhellten den Himmel, blendeten ihn, bis er in dem dichten Regen nichts mehr sehen konnte als schillernde Lichtflecken. Schmerz erblühte in seiner Seite; es war ein harscher, durchdringender Chor der Pein. Obwohl er sich zwang, ihn nicht
zu beachten, konnte er nicht mehr aufrecht stehen. Gebeugt und benommen taumelte er weiter, bis Onkel Thulus Hände ihn bei den Schultern packten und zum Anhalten zwangen.
    »Dani.«
    Er schaute unter seinen tropfenden Haaren hervor und rang nach Luft. Als er die Augen zusammenkniff, konnte er das Gesicht seines Onkels erkennen. »Ja, Onkel?«
    »Streite nicht mit mir, Junge.«
    Bevor Dani fragen konnte, was er damit meinte, wurde ihm auch noch die restliche Luft aus der Lunge getrieben, als Onkel Thulu ihn wie einen Sack Getreide hochhob und ihn sich über die Schulter warf. Sofort verfiel Thulu in einen stetigen Trab.
    In der Finsternis hinter ihnen spähte der Kaldjager-Fjel grinsend durch den niederprasselnden Regen und stieß sein Jagdgebrüll aus. In der Ferne antworteten ihm seine Brüder und gaben den Schrei weiter, bis alle die Botschaft erhalten hatten.
    Ihre Beute war gefunden.
     
    Meronil war erfüllt von Gesang.
    Ein gewaltiges Kontingent von Haomanes Verbündeten würde morgen abreisen. In den letzten beiden Tagen hatten sich Abgesandte anderer Nationen in der großen Halle von Ingolin dem Weisen getroffen. Seefeste, die Mittlande, Arduan, Vedasia, Pelmar und die Freien Fischer – sie alle hatten Unterhändler geschickt. Ihre Armeen marschierten bereits. Sie würden sich am südlichen Rand der Ebene von Curonan zu einer einzigen Streitmacht unter dem Befehl von Aracus Altorus, dem verbannten König des Westens, vereinigen. Von dort aus würden sie nach Finsterflucht vorrücken.
    Während sie nun noch unter vielen Bannern dahinzogen, würden doch bald zwei über allen anderen flattern. Das eine war die Krone und die Souma von Elterrion dem Kühnen, und die Riverlorn würden sie tragen. Ingolin der Weise würde sie persönlich anführen und seine Gelehrtenrobe zugunsten einer Ellylon-Rüstung ablegen, und die silberne Schriftrolle seines eigenen Hauses würde unter dem Banner von Elterrion flattern.

    Das andere Banner war das der alten Könige von Altoria, ein goldenes Schwert auf schwarzem Grund, der Griff gebogen wie der Umriss eines Auges. Es würde von der Grenzwacht von Curonan getragen werden, denn deren Anführer Aracus Altorus hatte geschworen, er werde das Banner seiner Ahnen an dem Tage schwenken, an dem er die Grenzwacht gegen Satoris Fluchbringer führte. Und so würde es sein, denn Aracus trug auch das Schwert seiner Vorfahren; das Schwert von Altorus dem Weitsichtigen mit seinem Griff, der wie der Umriss eines Auges geschwungen war und einen Soumanië im Knauf trug. Und an seiner Seite würde Malthus der Gesandte reiten, dessen Soumanië so hell wie ein Diamant strahlte und der den Speer des Lichts trug, die letzte von Haomanes Waffen.
    Morgen war es so weit.
    Und heute Abend war Meronil erfüllt von Gesang.
    Er setzte ein, als die Dunkelheit von Osten her eindrang und Haomanes Sonne im Westen in einem verdämmernden Schein glänzenden Goldes unterging. Als die letzten Strahlen wie verlöschende Glut vergingen, legte sich die purpurne Dämmerung über Meronil und verlieh dem Elfenbein seiner Türme, seiner Giebel und weit gespannten Brücken die Farbe von blassem Lavendel.
    An ihrem Fenster saß einsam Lilias und schaute hinaus.
    In der ganzen Stadt wurden Lichter angezündet. Kleine Glaslichter, kleiner als die Faust einer Frau, die ohne Rauch brannten. Die Riverlorn stellten sie in Lampen mit Gitterwerk, die über Türen hingen, auf Fenstersimsen und Brücken standen und von

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