Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Elegie - Fluch der Götter

Elegie - Fluch der Götter

Titel: Elegie - Fluch der Götter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Carey
Vom Netzwerk:
der Junge. »Ihr hättet unsere Sippe nicht töten sollen.«
    Seine flinke Hand schoss vor, ergriff die Flasche, hob sie mühelos von Skragdals Handfläche und schüttelte sie. Es war noch ein wenig Wasser übrig – sehr wenig. Er fand den Korken und verschloss sie wieder.
    Dann war er verschwunden; nur noch die Ranke war da.
    Sie schlug hart und schnell zu, durchdrang Skragdals geöffneten Kiefer, während er nach Luft schnappte. Er biss die Zähne zusammen, spuckte das Blattwerk aus, riss mit der freien Hand daran, doch die Ranken wanden sich um seinen Arm und machten ihn genauso unbeweglich wie den Rest seiner Glieder. Die Ranke in seinem Mund verzweigte sich, wuchs noch immer, füllte seinen Mund aus. Ein Fortsatz schlängelte sich den Hals hinunter, dann noch einer. Er hatte keine Luft mehr, konnte nicht einmal mehr würgen. Alles war grün, und das Grün verdämmerte zu Schwarz. Die ihn umschlingenden Ranken zerrten ihn in den Grabhügel hinein.
    In seinen letzten Augenblicken dachte Skragdal an den Fürsten Satoris, der den Fjel die Gabe des Stolzes verliehen hatte. Hat Neheris von den fallenden Wassern ihre Kinder nicht gut erschaffen? Dies verkünde ich euch, denn ich weiß es: Eines Tages werden die Menschen eure Gaben begehren.
    Er fragte sich, ob der Junge das verstanden hätte.

    Skragdal erlebte den Augenblick seines Todes bei völligem Bewusstsein und fragte sich, wie es an dem Tag sein würde, wenn die Menschen die Gabe der Fjel begehrten. Er fragte sich, ob es dann noch Fjel gäbe, die dies beobachten konnten.
    Während der ersterbende Puls in seinen Ohren hämmerte, hoffte er inständig, dass der Fürst wusste, wie sehr es Skragdal bekümmerte, ihn enttäuschen zu müssen. Er fragte sich, was er falsch gemacht hatte und an welcher Stelle er in die Irre gegangen war. Er roch den Gestank der Angst, der aus seiner rankenumsponnenen Haut drang, und dachte an die Worte eines Fjel-Gebets. Er zählte sie in seinen Gedanken wie Münzen. Worte, wertvoll und kostbar.
    Unser aller Mutter, wasche meine Angst hinweg .
    Sterbend fragte er sich, ob es stimmte, dass Neheris von den fallenden Wassern den Fjel vergeben würde, weil sie sich im Krieg der Schöpfer auf die Seite des Fürsten Satoris gestellt hatten. Ob sie verstehen würde, dass von allen Wesen Urulats allein Satoris ihre Kinder geliebt hatte, die sie mit solcher Sorgfalt erschaffen und auf den Ort eingestimmt hatte, an dem sie geboren worden war: auf Stein und Fluss und Baum, auf die grimmige, kampfbereite Lust des Jagens. Auf die sauberen Schnitte der Krallen, das rasche Töten und das Vergießen des heißen Blutes. Auf die warme Behaglichkeit einer gemütlichen Höhle gemeinsam mit einem zärtlichen, gewitzten Partner und Kindern, die auf dem Boden krabbeln und mit einem geschnitzten Rhios spielen. Alles, wozu er geschaffen worden war, würde er nicht länger erleben.
    Als sein starkes Herz allmählich zu schlagen aufhörte, hoffte er, dass all dies eine Zukunft hatte.
    Skragdal von den Tungskulder-Fjel war tot.

ZEHN
    T anaros untersuchte die Vesdarlig-Passage als letzte. Von allen Tunneln sorgte er sich um diesen am meisten. Weiter südlich gab es andere, die für Haomanes Verbündete besser zugänglich wären, aber bei ihnen handelte es sich um gut gehütete Geheimnisse. Die Vesdarlig-Passage war eine alte Route, welche die Stakkianer schon seit vielen Jahren kannten. Früher hätte ihm das keine Sorgen gemacht.
    Doch jetzt war es anders.
    Geduldige Gulnagel hielten für ihn die Fackeln hoch. Er hatte Vorax und seine Stakkianer nach Hause geschickt und nur die Fjel zurückbehalten, die ihm helfen sollten. So tief in der Erde erzeugten die Fackeln große Teiche aus Licht und flackerten nur schwach im sanften Luftzug, der aus den Belüftungsschächten drang. Tanaros untersuchte den Haufen aus Steinen und Geröll, der den Tunnel verschloss.
    Er wirkte solide. Diese Felsen konnte nur ein Fjel ohne fremde Hilfe beiseiteräumen. Auch wenn er sich über nichts anderes sicher war, so war er sich doch ihrer Loyalität sicher. Mit dem stumpfen Ende eines geborgten Speeres stocherte er in dem Geröllhügel herum, stach in mehrere Spalten und drückte hart dagegen. Einige Kiesel polterten auf den Boden der Höhle, doch hinter den Felsen stieß er nur auf weitere Felsen.
    »Wie dick ist diese Mauer?«, fragte er Krolgun.
    Das Fackellicht schwankte, als der Fjel die Schultern zuckte. »Fünfzig Schritt?« Der Gulnagel grinste. »Richtige Schritte, Anführer,

Weitere Kostenlose Bücher