Elegie - Fluch der Götter
versuchte den Geruch der Beute aufzunehmen. Die Menschen nannten sie die Versengten. Er fragte sich, ob sie nach Rauch rochen.
Nein, das taten sie nicht.
Aber da war ein schwacher Duft, der nicht an diesen Ort von Neheris’ Schöpfung gehörte. Es war der Geruch von Menschen –
der starke Geruch ihres Fleisches, ihres lebenden Blutes, warm und salzig. Es war der Gestank der Angst, wie ein bitterer Hauch, und der Gestank alten Schweißes. Doch da war noch etwas anderes, etwas Flüchtiges und Erregendes. Skragdal öffnete den Mund und schmeckte den Duft mit der Zunge. Es war vertraut und doch nicht vertraut.
Er wandte sich an Thorun. »Kennst du das?«
»Wasser«, sagte der alte Tungskulder. » Altes Wasser.«
Dann sah Skragdal sie.
Es waren zwei – genauso, wie Fürst Vorax gesagt hatte. Sie traten aus dem Schutz der Bäume hervor und gingen langsam. Als sie Skragdal und seine wartenden Jungs sahen, blieben sie stehen. Sie wirkten sehr klein und sehr, sehr müde.
»Neheris!«, schnaubte Thorun. »Unser aller Mutter! Danach haben wir die ganze Zeit gesucht?«
»Urteile nicht vorschnell.« Skragdal befingerte unruhig sein Rhios und dachte an den Krater am nördlichen Rande von Neherinach, wo der Galäinridder aus der Erde hervorgebrochen war. Skragdal war in den Bahnen gewesen, als der Zauberer sie aus dem Marasoumië vertrieben hatte; sein Edelstein hatte wie ein schrecklicher roter Stern geleuchtet. »Vielleicht ist das nur eine List.«
»Vielleicht«, sagte Thorun.
Aber es war keine List. Drei weitere Kaldjager kamen hinter den kleinen Leuten aus dem Wald. Zu beiden Seiten näherten sich die anderen. Die Kaldjager waren in bester Laune, sie bleckten die Zähne und zeigten ihre spitzen Zungen. Es war eine gute Jagd gewesen. Einer von ihnen deutete auf Skragdal und sagte etwas. Die müden und resignierten kleinen Leute trotteten über das Feld.
Skragdal verschränkte die Arme vor der Brust und wartete, während sie langsam und zögerlich näher kamen. Es stimmte; sie waren dunkelhäutig, aber nicht so dunkel wie die Mørkhar-Fjel. Der Größere der beiden bewegte sich, als drücke ihn ein großes Gewicht nieder. Skragdal kannte dieses Gefühl. Auf dem Gesicht des Hageren waren Tränen zu sehen, und er stank nicht mehr nach Angst, sondern nach Verzweiflung.
Der Kleinere hielt den einen Arm gegen die Seite gepresst. Die andere Hand hatte er um ein Tonfläschchen geschlossen, das an einer geflochtenen Kordel um seinen Hals hing. Trotz allem hielt er den Kopf aufrecht, und der Blick seiner dunklen Augen war wachsam und ernst.
»Nicht viel mehr als ’n Kind«, bemerkte Thorun.
»Nein«, meinte Skragdal. »Aber tapfer.«
Als die kleinen Leute den Grabhügel erreicht hatten, schwankten sie auf ihren müden Beinen. Der Größere versuchte den Kleineren zu schützen. Außer Messern an ihren Gürteln und einer abgegriffenen Schleuder an der Hüfte des Kleinen waren sie nicht einmal bewaffnet. Sie gehörten nicht an diesen Ort. Doch da war die Flasche, wie Fürst Vorax es vorhergesagt hatte. Der Geruch des Wassers – des alten Wassers – war stärker geworden. Wenn es stimmte, dann war es gefährlicher als ein Schwert, ja gefährlicher als tausend Schwerter. Skragdal schüttelte den Kopf und sah die beiden finster an.
»Wisst ihr, wo ihr seid?«, fragte er in der Gemeinsamen Sprache. Sie starrten ihn verwundert an. »Dieser Ort hier.« Er deutete auf die Wiese. »Kennt ihr ihn?«
»Ihr könnt reden !«, sagte der Kleinere verwundert.
Einer der Nåltannen machte einen Scherz in seiner eigenen Sprache; die anderen lachten.
»Genug.« Skragdal hob die Hand. »An diesem Ort sollten wir keine Scherze machen. Kleine Leute, das hier ist Neherinach, wo Haomanes Verbündete viele tausend Fjel getötet haben. Wir hatten keine Waffen. Wir wollten nur Satoris beschützen, den Drittgeborenen der Schöpfer, der bei uns Zuflucht gesucht hatte. Versteht ihr das? Ihr werdet hier sterben, damit diese Tode gerächt werden.«
Der Größere legte die Hände auf die Schultern des Kleineren und flüsterte ihm etwas zu. Der Kleinere schüttelte ihn ab. »Warum?«, fragte er einfach nur.
Wut regte sich in Skragdals Bauch, und seine Stimme wurde zu einem Brüllen, als er antwortete: »Du willst das Wasser des Lebens nach Finsterflucht tragen und fragst warum ?«
Der Kleine zuckte zusammen und umfasste seine Flasche, doch
er wandte den Blick nicht von Skragdal ab. »Warum habt ihr Satoris beschützt?«
Skragdal stieß ein
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