Elegie - Fluch der Götter
harsches Lachen aus; es war ein Laut wie von Felsen, die einen Berghang hinabrollen. »Ist das etwa wichtig für dich, Arahilas Kind? Nein.« Er schüttelte den Kopf. »Haomane hat nicht uns, sondern euch die Gabe des Denkens gegeben. Ihr seid schon zu weit gekommen, um diese Frage zu stellen. Ihr hättet sie vor eurem Aufbruch stellen sollen. Vielleicht würdet ihr dann heute nicht hier sterben müssen. Vielleicht wären dann eure Sippen nicht um eurer Taten willen niedergemetzelt worden.«
» Was? « Alles Blut wich aus dem Gesicht des Kleinen, und seine Haut nahm die Farbe erkalteter Asche an. Er sah Skragdal mit weit aufgerissenen Augen an. Der Größere gab einen erstickten Laut von sich und fiel auf die Knie. »Uru-Alat, nein! Nein !«
»Doch, Junge. Habt ihr etwa erwartet, dass der Fürst nichts gegen seine Feinde unternimmt?« Es war schwer, kein Mitleid mit dem Jungen zu haben; er war doch kaum erst den Kinderschuhen entwachsen. Wie hätte er die Wahl, die er getroffen hatte, verstehen können? Skragdal gab den anderen ein Zeichen. Die Kaldjager schlossen sich hinter den kleinen Leuten zusammen. Thorun und diejenigen Nåltannen, die ihnen am nächsten standen, nahmen ihre Äxte von den Gürteln und nickten. Sie waren bereit. »Ich verspreche euch, dass es schnell gehen wird.« Skragdal streckte die Hand nach der Flasche aus. Fürst Vorax hatte ihm befohlen, ihren Inhalt auf den kahlen Boden zu gießen.
Der Junge schloss die Augen und murmelte fiebrig etwas Unverständliches. Es war keine Sprache, die Skragdal kannte; nicht die Gemeinsame Sprache, sondern eine andere, die voll rollender Laute war. Der Junge hielt die Flasche so fest, dass seine Handknöchel weiß hervorstachen. Skragdal seufzte.
»Komm schon, Junge«, sagte er und streckte ihm die Krallenhand entgegen.
Mit zitternden Händen nahm der Knabe die Kordel von seinem Hals. Als er die Augen öffnete, glänzten sie vor Tränen. Sie waren so dunkel und tief, wie Skragdal sich den Brunnen der Welt vorstellte.
Der Junge umfasste die Flasche schützend mit beiden Händen und hielt sie dann vor sich. Seine Arme zitterten. Der Gegenstand, der all diese Unannehmlichkeiten verursacht hatte, war ganz unscheinbar; er bestand aus graubraunem Ton, der vom Brennen hier und da geschwärzt war. Ein Korken aus weichem Wüstenholz diente als grober Verschluss, und die geflochtene Ranke, die um den Flaschenhals geschlungen war, wirkte brüchig und geflickt. In dem Gefäß konnte sich nicht viel Wasser befinden – nicht mehr als ein Fjel-Mund voll.
»Hier«, flüsterte der Junge und ließ die Flasche los.
Skragdal schloss die Hand um das Tongefäß.
Es war schwer, unglaublich schwer. Skragdal ächzte. Ein Knochen in seinem Handgelenk brach mit einem hörbaren Knacken, als ihn das Gewicht zu Boden zog. Sein Handrücken prallte mit zerschmetternder Kraft auf den Boden von Neherinach.
Und dort hielt ihn die Flasche fest.
Es war absurd – mehr als absurd. Er war Skragdal von den Tungskulder-Fjel. Er schlug die Beine unter, ging in die Hocke, und seine Krallen gruben sich in die Erde. Er hielt sich das verletzte Gelenk mit der anderen Hand, riss die Schultern hoch und drückte sich gleichzeitig mit den kräftigen Beinen vom Boden ab.
Er konnte die Hand nicht bewegen. Es entstand bloß ein noch größerer Schmerz in seinem Gelenk. Und er roch Wasser. Altes Wasser, mineralreich, die Essenz des Wassers. Der Geruch stieg wie Rauch aus den Nüstern eines Drachen auf, wand sich durch die klare Luft und erfüllte ihn mit Entsetzen. Um sich herum hörte er, wie sich seine Männer unsicher bewegten; ohne Befehle wussten sie nicht, was sie tun sollten. Und daneben bemerkte er ein weiteres Geräusch. Es war der Junge, der dieselben Worte wie vorhin sang. Seine heisere und kummervolle Stimme wurde lauter und gewann an verzweifelter Kraft.
Mit großer Mühe öffnete Skragdal seine Finger.
Die Flasche auf seiner Handfläche war seitwärts gekippt. Schlimmer noch, der Korken hatte sich gelöst. Silberhelles und wohlriechendes Wasser hatte sich auf seiner groben Haut verteilt, rann
zwischen seinen Fingern hindurch; es war so schwer wie geschmolzenes Eisen, aber kühl. Es sickerte in den fruchtbaren Boden von Neherinach und verschwand.
Die Ranken auf den Grabhügeln regten sich plötzlich.
»Thorun!« Skragdal riss mit der freien Hand an der Flasche und grunzte dabei. Das war einfach unmöglich. Seine Krallen brachen ab, Blut trat aus, als er sie unter die glatte
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