Elegie - Fluch der Götter
wieder und erinnerte sich daran, wie der vom Efeu umklammerte Fjeltroll mit den Augen gerollt und ihn angesehen hatte, als Dani ihm die Flasche von der Handfläche genommen hatte. Das Wesen hatte in der Gemeinsamen Sprache geredet. Das hatte er nicht erwartet. Malthus hätte ihn warnen sollen. Sie waren mehr als nur Tiere.
Aber sie waren mörderisch.
Vielleicht wären dann eure Sippen nicht um eurer Taten willen niedergemetzelt worden .
Er erbebte noch heftiger, schlang die Arme um sich und fragte sich, wie viele gestorben sein mochten. Er hoffte, dass es schnell gegangen war. Das zumindest hatte der Fjeltroll ihm angeboten.
Sie wurden nicht verfolgt, nicht an diesem Tag und auch nicht am nächsten. Sie wandten sich nach Süden und bahnten sich einen Weg durch einen dichten Fichtenwald. Die Bäume waren sehr alt; ihre Stämme waren mit Moos überzogen und so groß, dass Dani und Thulu sie nicht gemeinsam mit ausgestreckten Armen hätten
umfangen können. Dichte Farne wuchsen auf dem Waldboden und waren unter dem Herannahen des Herbstes braun und brüchig geworden. Es war schwer, über sie zu treten, ohne ein knirschendes Geräusch zu verursachen. Mit jedem knisternden Schritt spürte Dani, wie die Haut zwischen seinen Schulterblättern prickelte.
Noch immer sahen sie keine Fjeltrolle. Am dritten Tag erfuhren sie den Grund dafür.
Kein Stein markierte die Grenze zwischen dem Land der Fjel und Stakkia, dem Reich der Menschen. Sie wussten erst, dass sie die Grenze überschritten hatten, als sie aus dem Wald herauskamen und ein gewaltiges Bauwerk aus grauem Stein vor sich sahen: ein Wohnturm, erbaut von Menschenhand. Dani erstarrte und schaute das Bauwerk verständnislos an. Nach langen Tagen ohne den geringsten Hinweis auf menschliches Leben erschien ihm ein so großes Gebäude einfach unmöglich.
»Zurück in den Wald, Junge«, murmelte Onkel Thulu. »Leise und schnell, bevor man uns sieht.«
Zu spät. Hinter ihnen knisterten die Farne.
» Vas leggis? « Es war eine Frauenstimme voll scharfer Wut. » Vas jagen? «
Langsam drehte sich Dani um und zeigte seine offenen Hände. Die Frau war jung, kaum älter als er selbst; sie steckte in lederner Jagdkleidung, und ihr blondes Haar war zu einem Zopf geflochten. Als sie ihn anstarrte, erkannte er in ihrer Miene Angst und Verwirrung, aber auch Entschlossenheit. Sie erinnerte ihn ein wenig an Fianna, denn sie hielt einen Jagdbogen in der Hand. Ein Pfeil war aufgelegt und zielte auf sein Herz, und er hegte nicht den geringsten Zweifel daran, dass sie genau wusste, wie sie diese Waffe zu gebrauchen hatte.
»Es tut mir leid«, sagte er in der Gemeinsamen Sprache. »Wir sprechen deine Sprache nicht. Wir haben uns verirrt. Wir gehen wieder.« Mit einer vorsichtigen Geste klopfte er sich gegen die Brust und deutete dann in den Wald. »Wir gehen, wir verschwinden.«
»Nein.« Sie schüttelte den Kopf und wies mit der Spitze ihres Pfeils auf den Wohnturm. Sie runzelte die Stirn, als sie nach Worten suchte. »Gehen. Da hin.«
Dani warf seinem Onkel einen raschen Blick zu.
»Gehen. Da hin!« Der Pfeil machte eine heftige Bewegung.
»Ich glaube nicht, dass sie uns die Wahl lässt, Junge«, sagte Onkel Thulu.
Wenn seine Haut im Wald geprickelt hatte, dann war das nichts gegen das gewesen, was er nun spürte, während er über das offene Gelände schritt und ein Pfeil auf seinen Rücken zielte. Der Wohnturm ragte grau und bedrohlich vor ihnen auf. Ein Gestank nach versengtem Holz lag in der Luft, als ob hundert Lagerfeuer gleichzeitig ausgelöscht worden wären.
Als sie näher kamen, erkannte Dani den Ursprung des Geruchs. Im Hof stand ein hölzernes Bauwerk – vielmehr hatte es dort einmal gestanden. Oberhalb der Grundmauern war nichts mehr zu sehen außer einem Haufen Asche und Schutt, in dem verbrannte Balken lagen. Dani berührte die Flasche an seinem Hals, um sich dadurch zu beruhigen, und warf einen Blick über die Schulter auf die Frau. »Was ist hier passiert?«
Sie starrte ihn an. »Fjeltrolle.«
Sie klopfte an das große Tor des Wohnturms und sprach auf Stakkianisch mit der Frau, die das Guckloch öffnete und sie ansah. Sofort wurde das Guckloch wieder geschlossen, und sie warteten. Dabei betrachtete Dani das Tor. Es bestand aus massivem Holz, das aus dem Wald stammte. Hier und da zeigten blasse Rillen an, wo die Fjel-Krallen daran gekratzt hatten.
»Ich war der Meinung, die Fjeltrolle und die Stakkianer sind Verbündete«, flüsterte er seinem Onkel
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