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Elegie - Fluch der Götter

Elegie - Fluch der Götter

Titel: Elegie - Fluch der Götter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Carey
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der Takelage des Schiffes und verbreiteten einen irrlichternden Glanz. Zwergenhafte Gestalten arbeiteten still in ihrem Schein, kümmerten sich um dies und das und beachteten Lilias’ Gegenwart nicht.
    Es war ein Segen, zum ersten Mal seit Beschtanag keinen Wächter zu haben. Lilias ging zum Bug des Schiffes und fand dabei heraus, dass das Schaukeln ihr kein so großes Unbehagen mehr bereitete. Zu ihrem Ärger musste sie feststellen, dass sie nicht allein hier war. Eine große Gestalt stand am Bug und blickte hinaus auf das Wasser. Sie drehte den Kopf, als Lilias näher kam, und das Mondlicht glänzte auf der goldenen Kopfbinde, die um die Stirn lief.
    Sie hielt inne. »Fürst Altorus. Ich wollte Euch nicht stören.«

    »Lilias.« Er winkte sie herbei. »Kommt her. Habt Ihr je Meronins Kinder gesehen?«
    Sie schüttelte den Kopf. Es war das erste Mal, dass er sie so angeredet hatte, und es war seltsam, ihren Namen aus seinem Mund zu hören. »Nein, Herr. Bis zum heutigen Morgen hatte ich noch nicht einmal das Meer gesehen.«
    »Wirklich?« Aracus wirkte verblüfft. »Ich habe geglaubt … ach, das ist unwichtig. Kommt und seht. Kommt, ich beiße nicht.« Er streckte die Hand aus, als sie sich zögerlich neben ihn stellte. »Seht, dort.«
    Im Wasser unter dem Bug des Schiffes sah Lilias sie: ein ganzer Schwarm anmutiger Gestalten, die mit freudigen Sprüngen aus dem Meer schossen und wieder hineintauchten. Ihre glatte Haut leuchtete silbern im Sternenlicht, und in ihren großen, dunklen Augen lag eine funkelnde Weisheit, die in merkwürdigem Widerspruch zu dem fröhlichen Lächeln auf ihren schmalen Gesichtern stand.
    »Oh!«, rief Lilias aus, als eine von ihnen eine leuchtende Wasserfontäne ausstieß. »Oh!«
    »Sie sind wunderlich, nicht wahr?« Nachdenklich lehnte er sich gegen die Reling. »Manchmal scheint mir das eine angenehme Weise zu sein, das Leben zu verbringen. Der ganze Hader der Welt lässt sie unberührt. Auch wenn sie wohl niemals zu den Geringeren Schöpfern gezählt werden mögen, hat Meronin vermutlich klug gehandelt, indem er seine Kinder in dieser Gestalt geschaffen hat. Auf alle Fälle sind sie glücklicher als wir.«
    »›Und Meronin der Tiefgründige behielt seine Gedanken für sich‹«, zitierte Lilias.
    Aracus warf ihr einen kurzen Blick zu. »Ihr kennt die Überlieferungen. «
    »Überrascht Euch das so sehr?« Sie beobachtete die anmutigen Kinder Meronins, wie sie überschwängliche Sprünge in den Wellen vollführten. »Ich habe zwar nie zuvor das Meer gesehen, aber ich habe tausend Jahre auf meinem Berg gelebt, Aracus Altorus, und die Weisheit der Drachen ist genauso tief wie die Meronins.«

    »Vielleicht«, sagte er. »Aber sie ist falsch.«
    Lilias sah ihn an. »Wisst Ihr, Herr, dass die Drachen Meronins Kinder zu den Geringeren Schöpfern zählen? Sie sagen, ihre Zeit sei noch nicht gekommen und werde noch viele Zeitalter auf sich warten lassen. Doch sie sagen, Meronin habe gut für sie vorgesorgt. Wem nützte es am meisten, als die Welt gespalten wurde?«
    Er sah sie finster an. »Ihr wisst genau, dass das der Weltenspalter selbst war.«
    »War er das?« Sie zuckte die Schultern. »Haomane der Erstgeborene behauptet das, aber Fürst Satoris hat wie ein Flüchtling auf Urulats Boden gelebt und war dabei von zehntausend Feinden umgeben. Währenddessen haben Meronins Wasser die Gespaltene Welt bedeckt, und seine Kinder vermehrten sich in Frieden.« Lilias deutete mit dem Kopf auf die springenden Gestalten. »Meronin der Tiefgründige ist klug und wartet ab. Vielleicht wird er eines Tages den Gedankenfürsten höchstpersönlich herausfordern.«
    »Was Ihr sagt, ist Blasphemie!«, rief Aracus entsetzt.
    »Nein.« Sie schüttelte den Kopf. »Das ist die Wahrheit, so wie ich sie kenne. Die Wahrheit, die nicht in den Büchern der Gelehrten oder in der Prophezeiung der Schöpfer zu finden ist. Was immer ich sein mag, ich bin nicht Haomanes Untertanin, sondern Calandors Gefährtin. Ihr habt von den Überlieferungen gesprochen. Ich kenne eine ganze Menge.«
    »Und vieles, das Ihr nicht teilen wollt.« Seine Stimme wurde grob. »Warum nicht?«
    Lilias zitterte und schlang die Arme um sich. »Ihr redet von dem Soumanië? Das ist eine andere Sache, und Ihr wisst, warum .«
    Er sah sie fest an. »Begreift Ihr, dass es um das Leben einer Frau geht?«
    »Ja.« Sie hielt seinem Blick stand. »Würdet Ihr mir glauben, wenn ich Euch sagte, dass Satoris sie nicht töten wird?«
    Er hob die Brauen.

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