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Elegie - Herr der Dunkelheit

Elegie - Herr der Dunkelheit

Titel: Elegie - Herr der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Carey
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Saum seines Obergewands einen kleinen Blutstropfen in ihrem Mundwinkel weg. »Vergib mir. Es tut mir leid. Ich wollte dir nicht wehtun.«
    »Armer Heerführer.« Ihre Augen waren seltsam klar, als hätte der Schlag ihren Verstand geschärft. Sie berührte seine Hand mit sanften Fingern, führte sie an ihre verletzte Wange, strich über seine Knöchel. »Armer Tanaros. Tut es noch immer so weh, auch heute noch?«
    Ihre Haut war warm und weich, und das Mitleid in ihren Augen
erschreckte ihn. Er machte sich von ihr los und stand auf. »Du solltest jetzt gehen.«
    Sie ordnete ihre Röcke und erhob sich. Nicht schön war sie, nein. Eine Frau, noch nicht alt, mit verfilztem Haar und teigiger Haut, der das Sonnenlicht fehlte. Einst war sie wohl hübsch gewesen, auf eine gewöhnliche, sterbliche Art. Mitleid in ihrem Blick, und ein entsetzliches Wissen. »Ich habe Euch gewarnt, Herr«, sagte sie leise. »Ihr hättet auf mich hören sollen. Sie wird Euch das Herz brechen. Sie wird uns allen die Herzen brechen.«
    »Mein Herz.« Er schüttelte den Kopf und berührte das Brandzeichen auf der Brust. »Nein, Meara. Diese Lehre habe ich zu gut gelernt. Mein Herz schlägt für Fürst Satoris, niemanden sonst.«
    »Ich weiß«, hauchte sie. »Ich weiß.«
     
    Haomanes Verbündete trafen früh ein.
    Irgendetwas war passiert. Das Kundschafterrudel aus jährigen Wehren, das über die Bewegungen der Feinde berichten sollte, hatte versagt. Wenn Calandor nicht gewesen wäre, Beschtanag wäre nicht gewappnet gewesen. Aber so hatte Lilias das letzte Stück der Mauer hastig vollendet, die Feinde aus- und sich selbst darin eingeschlossen.
    Über ihren Wehrhauptmann Gergon erfuhr sie auch etwas Klatsch, den die Soldaten über die riesenhafte Mauer hinweg austauschten. Eine Belagerung war schließlich eine langweilige Geschichte, und einige der Mannen hatten Freunde oder Vettern auf der jeweils anderen Seite.
    Offenbar hatte Martinek, der Regent aus Pelmars Südosten, entgegen allen Erwartungen eine Schwäche für Aracus Altorus entwickelt, der nun König des Westens werden wollte. Der letzte Nachfahre des Hauses Altorus brachte Martinek den größten Respekt entgegen und hatte sogar die Ellylon dazu überredet, die sturen Köpfe vor dem pelmaranischen Anführer zu beugen. Über ein paar Krügen Wein hatten sie sich schließlich angenähert – und Martinek war höchst beeindruckt von den Geschichten über die Grenzwacht von Curonan gewesen, jene kleinen, starken Einheiten, die viel schneller einsatzfähig und viel flexibler waren als ein richtiges Heer.

    Regent Martinek hatte Altorus’ Rat angenommen, und die anderen Regenten hatten sich ihm angeschlossen. Statt als einheitliche Front vorzurücken, stellten sie ihre Truppen in gewundenen Reihen auf. So mussten sie sich keinen breiten Weg durch den Wald bahnen. Haomanes Verbündete waren, ohne überhaupt angegriffen worden zu sein, im Dickicht der Wälder sehr gut vorangekommen. Die Truppen von Aracus Altorus waren als Erste zur Stelle, betrachteten die Granitmauer, die den Beschtanag umgab, mit kühlen, abschätzenden Blicken und zogen sich außerhalb der Bogenschussweite zurück, um ein Lager aufzuschlagen, das sich weit bis in den unbewachten Wald ausdehnte.
    Innerhalb eines Tages waren auch die anderen eingetroffen.
    Pelmaranische Truppen von dreien der fünf amtierenden Regenten, eine Abordnung vedasianischer Ritter, taugliche Mittländer – und am schlimmsten war die Schar der Ellylon, die Riverlorn mit ihrer durch Mark und Bein gehenden Schönheit und ihren kühnen Schwertern. Sie ritten hin und her, umrundeten immer wieder die Granitmauer und benötigten weder Schlaf noch Nahrung, um ihre Aufgabe treu zu versehen.
    Sie brauchten nur eines: die Hohe Frau Cerelinde.
    »Mir gefällt das nicht, Gergon.« Lilias sah von ihrem Balkon aus zum feindlichen Lager hinüber und erschauerte in der Sommerwärme. »Sie sind so viele.«
    »Wir können ihnen standhalten.« Ihr Wehrhauptmann zog ein grimmiges Gesicht. »Solange Ihr die Mauer haltet, Herrin. Unsere Vorräte reichen noch für weitere sieben Tage, wenn es sein muss.«
    »Sieben Tage«, wiederholte sie. Was für eine kleine Zahl!
    Gergon warf ihr einen Blick zu. »Die Truppen des Fluchbringers sollten in weniger Tagen hier eintreffen. Sie kommen doch, Herrin, oder nicht?«
    »Ja.« Sie legte mehr Sicherheit in ihre Stimme. »Ja. Sie werden hier sein.«
    In weiter Entfernung, am Fuß des Berges, trat eine Gestalt vor, in eine glänzende

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