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Elegie - Herr der Dunkelheit

Elegie - Herr der Dunkelheit

Titel: Elegie - Herr der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Carey
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Gewänder ihrer Vorfahren gekleidet, leuchtete sie wie eine Kerzenflamme. Es schmerzte sein Herz, und er verbeugte sich tief. »Ich bin gekommen, um Euch Lebwohl zu sagen.«
    Cerelindes Hand fuhr unwillkürlich an ihre Kehle. »Ihr verlasst Finsterflucht?«
    »Morgen früh.« Er richtete sich auf. »Ich werde wiederkommen.«
    »Ihr werdet ihn töten«, flüsterte sie, die Augen furchtsam geweitet. »Aracus.«
    Lange Zeit antwortete er nicht, erinnerte sich an die Schlacht im Tal von Lindanen und an Aracus Altorus, wie er mit der Graufrau der Wehre rang und sie auf Schwertlänge von sich hielt, und er erinnerte sich an einen anderen, an Roscus. Seinen König, seinen Ziehbruder. Offenes Lachen, ausgestreckte Hand. Ein Säugling mit rotgoldenem Haar, und der schuldbewusste Blick seiner Frau. Und am Ende der überraschte Ausdruck in Roscus’ Augen. Mit Aracus würde es ganz zu Ende sein. Es wäre vollbracht.
    »Ja«, sagte er. »Es tut mir leid.«
    Sie wandte ihm den Rücken zu, ihr bleiches Haar ein leuchtender Fluss. »Geht«, sagte sie mit bebender, angespannter Stimme. »Geht! Geht und tötet, Tanaros Schwarzschwert! Das ist es doch, was Ihr tut. Das ist alles, wozu Ihr taugt!«
    »Hohe Frau.« Er machte einen Schritt nach vorn. Es verlangte ihn danach, sie zu trösten, und gleichzeitig erfüllte ihn dieses Gefühl mit Zorn. »Begreift Ihr immer noch so wenig? Haomane hat uns den Krieg erklärt. Wir kämpfen hier um unser Leben!«

    »Ich begreife nur den Schmerz.« Sie drehte sich wieder zu ihm um und sah ihn an. »Muss es denn so sein, Tanaros? Muss es wirklich so sein? Ist kein Platz für Mitleid in Eurem Weltverständnis? Haomane würde verzeihen, wenn Ihr Euch ergeben würdet.«
    »Würde er das?«, fragte er und tat wieder einen Schritt. »Würdet Ihr das tun?«
    Cerelinde wich vor ihm zurück.
    »Seht Ihr.« Er fühlte, wie seine Lippen sich zu einem grimmigen Lächeln verzogen. »Grenzen, stets gibt es Grenzen. Ihr würdet uns vergeben, wenn wir stets dort blieben, wohin wir gehören. Nun, Hohe Frau. Ich blieb einmal dort, wohin ich gehörte, vor langer Zeit. Ich war Tanaros Caveros, Befehlshaber der königlichen Leibgarde in Altoria. Ich ehrte meinen Lehnsherrn und diente ihm gut; ich ehrte meine Frau und liebte sie sehr.« Er breitete die Arme aus. »Ihr seht ja, wohin mich das gebracht hat?«
    Sie antwortete nicht, sondern sah nur auf seine ausgestreckten Hände und zitterte.
    Er hatte seine Frau mit diesen Händen erdrosselt.
    »So sei es.« Tanaros riss sich zusammen und verbeugte sich ein letztes Mal, schwungvoll und korrekt. »Hohe Frau, man wird sich während meiner Abwesenheit gut um Euch kümmern. Dafür habe ich gesorgt. Ich sage Euch Lebwohl.« Er wirbelte auf dem Absatz herum und ging. Es spielte keine Rolle, dass ihn ihre leuchtenden Augen verfolgten; es war befriedigend zu hören, wie die Tür hinter ihm mit einem Knall ins Schloss fiel.
    Sie wusste es nicht.
    Sie begriff es nicht.
    Cerelinde war Haomanes Kind, aus rationalem Gedanken erschaffen. Nie würde sie die Leidenschaft begreifen, mit der er seine Frau und seinen Lehnsherrn gleichermaßen geliebt hatte; nie würde sie nachvollziehen können, wie schwer ihn ihr Verrat getroffen hatte. Ebenso wenig konnte sie Fürst Satoris verstehen, der es gewagt hatte, sich seinem Bruder zu widersetzen, damit seine Gabe den Menschen nicht wieder genommen und Gedanke und Begierde nicht auf ewig voneinander getrennt werden sollten.

    Die Dinge waren nie so einfach, wie sie aussahen.
    Aber Haomanes Kinder konnten nicht in Grautönen denken.
    Selbst jetzt, da die alte Wut noch in seinem Herzen loderte, erfüllte es Tanaros mit Trauer, wenn er an all das dachte, was er verloren, was er weggeworfen hatte. Wie viel stärker, dachte er, muss der Fürst diese Trauer spüren? Und dennoch weigerte sich Cerelinde, das zu erkennen.
    Mit Mühe schob er den Gedanken weg. Eine Tür schloss sich, nun gut. Nun blieb also nichts mehr außer dem, was vor ihm lag. So weit war es gekommen. All die veränderlichen Kleinigkeiten, Pläne und wieder Pläne, was bedeuteten sie ihm? Nichts. Es gab einen Krieg. Auf Kriege verstand er sich. An jeder Ecke kam Tanaros an einem Wachposten vorbei, der seinen Dienst tat. Hoch aufragende Schatten, bis an die Augenzähne bewaffnet. Sie grüßten ihn, sie alle, und erkannten ihn an als den Obersten Heerführer von Finsterflucht.
    Ja. Dies waren seine Leute.
    »Lass niemanden ein«, sagte er dem Fjel vor seiner Tür. »Ich will mich

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