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Elegie - Herr der Dunkelheit

Elegie - Herr der Dunkelheit

Titel: Elegie - Herr der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Carey
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Rüstung gekleidet. Es war der Herold der Riverlorn, und er trug eine Stange, an der die Standarten von Ingolin dem
Weisen und Elterrion dem Kühnen flatterten – die silberne Schriftrolle sowie Krone und Souma. Wie er es dreimal am Tage tat, setzte er auch jetzt ein ellylisches Horn an seine Lippen und blies hinein, und der silbrige Klang hallte von den Hängen des Beschtanag wider. Seine Stimme erklang, klar und tragend. »Zauberin! Gebt uns Frau Cerelinde heraus, und wir werden Euer Volk verschonen!«
    »Ellyl-Arschloch«, brummte Gergon und setzte schnell hinzu: »Verzeihung, Herrin.«
    Auf halber Höhe des Berges ließ eine Schar kniender Schützen ihre Bogen singen und schickte einen Pfeilregen hinab. Laute Rufe erklangen von den im Wald verborgenen Wachposten, und diejenigen unter Haomanes Verbündeten, die sich in Reichweite befanden, duckten sich und hoben ihre Schilde über die Köpfe. Pfeile surrten über die Granitmauer und klapperten auf die Schilde oder ins Geröll, ohne etwas auszurichten. Der ellylische Herold beobachtete verächtlich, wie sie herabfielen, bevor er sich unverletzt zurückzog.
    »Zu weit, zu hoch.« Gergon schüttelte den Kopf. »Es tut mir leid, Herrin.«
    Lilias seufzte. »Sag ihnen, sie sollen ihre Pfeile nicht verschwenden.«
    »Wie Ihr wünscht.« Er hielt inne. »Wenn es hart auf hart käme, Herrin, dann gäbe es schon eine Waffe, der sie nichts entgegensetzen könnten.«
    »Nein!«, antwortete sie mit großer Schärfe. »Nicht Calandor!«
    »Es ist aber doch Irrsinn …«
    »Hört mir zu, Wehrhauptmann.« Lilias durchbohrte ihn mit stählernem Blick. »Dies ist eine Angelegenheit der Schöpfer, die bereits dazu geführt hat, dass das Drachengeschlecht fast von der Erde verschwunden ist. Calandor wird nicht kämpfen. Schlagt Euch das aus dem Kopf.«
    »Herrin.« Gergon verbeugte sich, unübersehbar unglücklich über ihre Antwort. »Wie Ihr befiehlt. Ich werde bei Sonnenuntergang erneut Bericht erstatten.«
    Es war eine Erleichterung, als er endlich gegangen war. Lilias sah einem Paar Raben zu, die in den Lüften kreisten, und hoffte, dass sie
mit ihren schnellen Flügeln Nachrichten nach Finsterflucht bringen würden. Solange die Mauer stand, war Beschtanag sicher, aber so viele warfen sich ihr entgegen. Sie berührte den Soumanië auf ihrer Stirn, fühlte, wie die gestaltende Kraft, die von ihm ausging, in ihren Adern pulsierte, wie auch im Stein unter ihren Füßen. Schwach, so schwach! Sie hatte sich zu sehr verausgabt. Es kostete stets mehr Kraft, etwas zu erschaffen, als etwas zu zerstören. Die alten Verbindungen waren belastet und geschwächt – jene, die zu den Dienerhalsbändern ihrer kleinen Hübschen führten und sie an ihre Herrin banden, jene, die Beschtanag selbst banden und das Fleisch und Blut ihrer Untertanen zur Treue anhielten. Selbst die Verbindung, welche die große Fessel des Daseins bis an ihre Grenzen dehnte, fühlte sich dünn und gespannt an, und Lilias kam sich alt vor.
    Sie war alt, tausend Jahre alt. Heute fühlte sie sich auch so.
    Oh Calandor! , rief sie schweigend aus. Was haben wir getan?
    Es folgte eine lange Pause, bevor der Drache antwortete, eine längere als jemals zuvor.
    Warte, kleine Schwester, und sei stark. Du musst stark sein.
    Trauer schwang in diesem Gedanken mit, stärker, als sie es je bei ihm gespürt hatte. Lilias umklammerte das Geländer mit beiden Händen und blickte zum Fuß des Berges. Dort, im Schatten der Bäume, leuchtete rotgoldenes Haar. Aracus Altorus, der König des Westens werden wollte, mit unbedecktem Kopf und voller Hochmut. Selbst auf diese Entfernung sah sie, wie er innehielt, wie sein Blick ihren Willen abschätzte und den Himmel nach dem Drachen absuchte.
    Dann wandte er ihr den Rücken zu, kühl und zielbewusst, und gab seinen Truppen Befehle. Die Leute waren damit beschäftigt, Kriegsgerät zu bauen. Leitern aus Ästen, mit Seilen zusammengebunden. Belagerungstürme, die ein Dutzend Männer fassten. Ganze Stämme wurden zu Rammböcken behauen. Pelmars Wälder boten mehr als genug Nahrung für ihre Zwecke, als seien sie mit ihnen im Bunde. Schon jetzt hatten Haomanes Verbündete die hohe Granitmauer an vielen Stellen geprüft. Lilias konnte sie halten, jedenfalls für den Augenblick, mit der Unterstützung von Gergons
Wachleuten. Was würde geschehen, wenn ihre Vorräte zur Neige gingen? Was würde passieren, wenn Malthus selbst erschiene, um sich gegen sie zu stellen, genau wie sie mit einem Soumanië

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