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Elegie - Herr der Dunkelheit

Elegie - Herr der Dunkelheit

Titel: Elegie - Herr der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Carey
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möglich gehalten hatte. Er hatte sie verschluckt und verdaut und in einer Berghöhle wieder ausgespien, so weit im Norden, dass in den Tälern noch kleine Schneeflecken lagen. Und hier mussten sie nun ums Überleben kämpfen.
    »Dani, du musst etwas essen.«
    Onkel Thulu machte ein besorgtes Gesicht. Er streckte ihm eine Hasenkeule am Spieß entgegen. Es hatte den Großteil des Tages gekostet, das Tier zu fangen.
    »Ja, Onkel.«
    Das Fleisch war heiß und fettig. Dani knabberte daran herum und verbrannte sich beinahe die Finger. Es lag glitschig auf seiner Zunge, und der Saft füllte seinen Mund, als er kaute. Dann schluckte er und fühlte, wie das Fleisch seine Kehle hinunterglitt. Sein Magen knurrte und zog sich um das bisschen Nahrung zusammen. Plötzlich von Hunger überwältigt, nahm er einen zweiten Bissen.
    Onkel Thulus dunkles Gesicht verzog sich zu einem breiten Lächeln. »Der Träger ist hungrig!«
    »Ja.« Er lächelte mit vollem Mund zurück. »Das bin ich.«
    »Gut.«
    Lange Zeit sagte keiner von ihnen etwas. Nur das Geräusch, mit dem die Zähne das Fleisch vom Knochen rissen, und das Glucksen zufriedener Mägen war zu hören. Sie nagten die Knochen sauber und leckten sie ab. Ihr kleines Feuer knisterte fröhlich. Dani hatte es selbst angezündet, indem er einen angespitzten Stock zwischen den Handflächen hin und her drehte, bis die kleinen Kiefernzweige, die er gesammelt hatte, endlich Feuer fingen und einen schmalen
Rauchfaden in die klare Luft aufsteigen ließen. Das war eine gute Sache, denn ihnen war ziemlich kalt.
    Als sie fertig waren, lehnte sich Onkel Thulu zurück und tätschelte sich den Bauch. »Ah«, seufzte er. »So ist es besser.«
    »Onkel.« Dani beugte sich vor, die Arme um die Knie geschlungen, und starrte in das Feuer. Die Nachmittagsschatten spielten auf seinen Zügen, und das Tonfläschchen schlug gegen seine nackten, knochigen Kniescheiben. »Wo sind wir? Was ist mit uns geschehen? Was ist mit Malthus?« Er stützte das Kinn auf die Knie und setzte mit traurigem Gesicht hinzu: »Was soll ich jetzt nur machen, Onkel?«
    »Ich weiß es nicht, mein Junge«, antwortete Onkel Thulu kurz. Er lehnte sich zum Feuer hinüber und legte noch ein Stück Totholz auf. »Wir sind in Stakkia, glaube ich. Oder im Land der Fjeltrolle. Im Norden.«
    »Es ist kalt.« Dani zitterte.
    »Ja.« Onkel Thulu beobachtete ein paar aufstiebende Funken. »Glücklicherweise hat Blaise Mäntel für uns gekauft. Ich wünschte, ich hätte auch die Stiefel angenommen. Hätte ich ja vielleicht auch, wenn sie gepasst hätten.«
    Dani betrachtete seine eigenen Füße, nackt, schwielig und vom jahrelangen Laufen auf dem Wüstenboden breit geworden. Die Steine machten ihm nichts aus, aber seine Zehen färbten sich allmählich blau. »Es ist kalt hier.«
    »Ja.« Onkel Thulu nickte. »Wir sind ja schließlich im Norden.«
    Dani hob den Kopf. »Er muss einen Plan gehabt haben.«
    »Malthus?«
    Er nickte.
    »Ich weiß nicht, Dani.« Sein Onkel stocherte mit einem abgesplitterten Hasenknochen zwischen den Zähnen herum, nachdenklich und besorgt. »Ich glaube nicht, dass er damit gerechnet hat, dass sich das Heer des Weltenspalters in den Tunneln befinden könnte. Er hat sein Bestes getan, um uns zu schützen, denke ich, das ist alles. Er hat uns so weit weggeschickt, wie es ging. Was als Nächstes geschieht, hängt ganz von dir ab.«

    »Ich will das nicht entscheiden!«
    Seine Stimme klang kindisch. Onkel Thulu sah ihn schweigend an. Dani seufzte und beugte den Kopf, legte die Hände vor sich zu einer Schüssel zusammen. Die leuchtenden Linien in seinen Handflächen stießen aneinander und ergaben einen perfekten Stern. Was für eine einfältige Annahme! Wieso sollte gerade das bedeuten, dass er der Einzige war, der den Eimer aus dem Brunnen ziehen konnte? Aber so war es, und er hatte es getan. Der Beweis hing an einer Kordel um seinen Hals. Dani schluckte und erinnerte sich an die Worte, die ihn zuerst sehr bewegt hatten, als Malthus sie sprach. Aber letztlich liegt das Schicksal Urulats in deinen Händen, Träger. Er hatte darauf gehört, was der Gesandte sagte. Er hatte das Wasser des Lebens emporgezogen. Er hatte es getragen. In Malumdoorn hatte es Leben aus etwas Totem hervorgebracht. Er erinnerte sich daran, wie die grünen Blätter aus dem toten Holz gesprossen waren und welche Freude er bei diesem Anblick empfunden hatte.
    »Die Entscheidung liegt bei dir, Dani.« Onkel Thulus Stimme war sanft. »Immer und ewig.

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