Elegie - Herr der Dunkelheit
desgleichen.«
»Tanaros ?« Der Name entschlüpfte ihr unwillkürlich.
Etwas, das ein Lächeln hätte sein können, rührte die ebenholzdunklen Züge des Schöpfers. »Mein Heerführer ist einfallsreich, Cerelinde. Lasst uns gemeinsam auf seine sichere Rückkehr hoffen, Ihr und ich.«
Sie packte die Lehnen ihres Stuhls und stählte ihre Gedanken, versuchte sie dort zu halten, wo sie hingehörten. Blaue Augen, gleichzeitig fordernd und fragend, trafen in der Erinnerung die ihren. Ein Versprechen, das sie gegeben hatte. Es gab ihren Worten Schärfe. »Der Königsmörder hat sein eigenes Schicksal heraufbeschworen, Herr. Was ist mit Aracus Altorus? Was ist mit meinem Verlobten?«
»Euer Verlobter.« Der Schöpfer wandte sich von ihr ab, ging wieder hin und her und ließ die Schultern hängen, als trüge er eine schwere Last. »Ah, Cerelinde! Er könnte scheitern, wisst Ihr. Selbst in Beschtanag kann er noch scheitern.«
Ihr Kinn reckte sich vor. »Und wenn das nicht der Fall ist?«
Aus einer entfernten Ecke des Saales sah er sie mit glutroten Augen an. »Er wird etwas sehr Kostbares zerstören«, sagte er leise.»Und das wird meine Schuld sein.«
Sie sah ihn verständnislos an.
Satoris der Drittgeborene lachte sein schreckliches, hohles Lachen. »Oh Cerelinde! Ihr wollt von mir hören, dass er mit größter Eile nach Euch sucht, dass er hierherkommen wird, um Euch zu retten. Dass Aracus Altorus Finsterflucht selbst belagern wird. Soll ich es sagen? Es ist immerhin wahr.«
Hoffung und Angst rangen miteinander in ihrer Brust. »Und was wird aus mir werden, wenn er das tut?«
»Interessiert es Euch so wenig, was er zerstören wird?« Die Stimme des Schöpfers klang sehnsüchtig. »Wollt Ihr nicht einmal fragen, was es ist ?«
»Herr …!«
»Nun, auch das spielt keine Rolle.« Er wandte sich wieder von ihr ab, eine dunkle Gestalt in einer dunklen Ecke. Eine Hand bewegte sich und bedeutete ihr zu gehen. »Hebt Euch hinweg von mir, Tochter der Erilonde. Eure Anwesenheit vermag meine Trauer heute Nacht nicht zu lindern.«
Sie tat, wie ihr geheißen, erhob sich und raffte ihre Röcke. Hinter ihr wartete die Treppe, die dreigeteilte Tür an ihrem Ende öffnete sich vor den schattenumlagerten, gewundenen Gängen, die wieder in ihre Gemächer führten, bis zu der Geheimtür hinter dem Wandbehang. Beim ersten Schritt zögerte sie und sah noch einmal über ihre Schulter. »Fürst Satoris …«
»Geht!«
Drei Raben kreisten hoch am Himmel.
Uschahin sah ihnen zu und beschattete seine Augen mit einer Hand. Der Himmel über der Ebene von Rukhar war von gnadenlosem Blau, und das grelle Licht der Sonne bohrte sich wie ein schmerzender Dorn in sein linkes Auge. Es spielte keine Rolle. Er war an solchen Schmerz gewöhnt, und sein waches Bewusstsein ritt geradezu auf dieser Qual, als es auf einer warmen Brise nach oben stieg, dem Himmel entgegen.
Kommt, kleine Brüder, dachte er. Was habt ihr gesehen?
Als Antwort erfüllte eine Bilderflut seinen Kopf, Stein, grau und öde. Struppiges Unkraut, über den Boden wimmelnde ungenießbare Ameisen. Nur wenig Leben gab es auf der unfruchtbaren Ebene, und die Raben wollten dort nicht landen.
Sein Mund verzog sich zu einem bitteren Lächeln. Das konnte er ihnen nicht übel nehmen.
Da Tanaros und Malthus noch im Marasoumië gefangen waren und beide darum kämpften, die Bahnen zu beherrschen, war es zu gefährlich, sie zu betreten. Uschahin war zu Fuß von Jakar aufgebrochen,
war einen Tag und eine Nacht über die Ebene gewandert und auf seinem Weg durch die Träume der Menschen gestreift, bis seine schlecht zusammengewachsenen Knochen bei jedem Schritt protestierten. Auch das machte ihm nichts aus. Der einzige Schmerz, der ihn kümmerte, war der, der sein Herz umfing; die Brandnarbe des Gottestöters rief ihn zum einzigen Zuhause, das er jetzt noch besaß. Aber ohne die Bahnen lag ein unsicherer Weg vor ihm. Im Westen erstreckte sich die Unbekannte Wüste mit ihrem bedrohlichen, glühenden Sand. Im Norden befanden sich die Lager der Rukhari-Krieger, die ihn verachteten. Im Osten … ah, im Osten lag Pelmar, wo ihn einst die Graufrau ihren Sohn genannt hatte, und dorthin wagte er nicht zu gehen.
Daher hatte er sich nach Süden gewandt.
Ihr müsst nicht landen, sagte Uschahin den Raben. Sagt mir nur, was ihr gesehen habt.
Die Raben kamen tiefer, das Sonnenlicht schimmerte violett und grün auf dem Rand ihrer Flügel, als sie nun kleinere Kreise zogen. Zuckende Bilder
Weitere Kostenlose Bücher