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Elegie - Herr der Dunkelheit

Elegie - Herr der Dunkelheit

Titel: Elegie - Herr der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Carey
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hast deine Rolle gespielt. Dir sei vergeben. Und dann Worte, drei Worte, in großer Qual hervorgestoßen, im letzten Aufbäumen vor dem Ende. Lilias! Vergib mir!
    Nicht für ihn. Egal. Es war genug.
    Carfax seufzte und starb.

SECHSUNDZWANZIG
    D er Aufprall ließ die Grundfesten des Beschtanag erbeben.
    Leuchtende Helligkeit, die verging. Alles Helle und Schöne in der Welt. Lilias kniete auf der Terrasse, krümmte sich zusammen und hielt sich den Bauch, denn sie fühlte, dass Calandors Tod wie ein Speer durch sie hindurchdrang. Ihre Kehle war wund von dem Schrei, den sie ausgestoßen hatte, als er fiel, und ihr Herz schmerzte in der Brust.
    Jede schwache Hoffnung, die noch geblieben war, wurde von seinen gequälten letzten Worten zunichte gemacht.
    Lilias! Vergib mir!
    Calandor! Nein!
    Sie klammerte sich an die immer schwächer werdende Verbindung, bis sein mächtiger Herzschlag langsamer wurde und schließlich ganz erstarb. Niemals mehr würde die Sonne auf seinen Schuppen glänzen, niemals mehr würde er die Flügel spreizen, um auf dem Wind dahinzusegeln. Niemals mehr würde sie ein Lächeln im Winkel eines schmalen grünen Auges sehen. Ihr Herz war voll bitterer Asche, und der Soumanië auf ihrer Stirn war erloschen, schrammte über die Bodenfliesen, als sie schmerzerfüllt den Kopf gegen die grauen Steine presste. Tausend Jahre lang war er ihr Mentor gewesen, ihr Freund, ihr Seelenverwandter. Mehr, als ihr bewusst gewesen war. Mehr, als sie je geahnt hatte. »Calandor«, flüsterte sie. »Oh Calandor! Bitte, nein!«
    In ihrem Kopf antwortete ihr nur die Stille.
    Zusammengekauert auf den Steinfliesen trauerte die Zauberin des Ostens.
    »Gebieterin.« Eine Hand berührte schließlich ihre Schulter. Lilias
hob das tränenverschmierte Gesicht und sah in Pietres sorgenvolle Augen. Er nickte zum Fuß des Berges hinüber, und die silbernen Glieder des Halsbandes, das ihn an ihren Willen kettete, schimmerten um seinen Hals. »Sie kommen.«
    Sie kamen.
    Calandor war tot.
    Mit steifen Gliedern erhob sie sich und schwankte unter dem Gewicht ihrer Gewänder. Pietres Hand stützte sie am Ellenbogen, und auch Sarika war nahe bei ihr, deren hübsches Gesicht von Angst erfüllt war. Am Fuß des Beschtanag lag ihre Mauer in Trümmern. Dahinter … nein. Sie konnte nicht über die Mauer hinausblicken, dorthin, wo Calandors Leichnam sich wie ein Hügel erhob. An der Bresche ergab sich ihr Wachhauptmann Haomanes Verbündeten. Während sie zusah, legte Gergon sein Schwert Aracus Altorus zu Füßen und deutete zur Terrasse hinüber.
    »Unsere Bogenschützen …«, zischte Pietre.
    »Nein.« Mit einer müden Handbewegung unterbrach ihn Lilias und berührte seine Wange. Es lag ein gewisser Mut darin, sich dem Schicksal zu ergeben. »Mein Schöner, es ist vorbei. Wir sind besiegt. Begleite mich in den Thronsaal. Ich werde dort ihre Bedingungen anhören.«
    Sie schritten auf beiden Seiten neben ihr, und sie war dankbar für ihre Unterstützung, für die Anforderungen, die ihre Gegenwart an sie stellte. Wären sie nicht gewesen, hätte sie sich nur zu gern hingelegt, um zu sterben. Schritt für Schritt geleiteten ihre Diener sie durch die grauen Flure von Beschtanag, vorbei an den tadelnden Blicken ihrer Leute, hohläugig und hungrig. Sie hatten ihr vertraut, und sie hatte sie im Stich gelassen. Jetzt hofften sie auf Rettung von anderer Seite. Ihre livrierten Diener, die keine Dienerhalsbänder trugen, waren verschwunden. Der Thronsaal wirkte leer, die Geräusche hallten in ihm wider, und die Sommersonne, die durch die hohen, schmalen Fenster schien, erschien ihr beinahe wie Gespött.
    »Wie geht es Euch, Gebieterin?«, fragte Sarika besorgt und half ihr, auf dem Thron Platz zu nehmen. Er war aus einem einzigen Block beschtanagischen Granits gefertigt, und die geschwungene
Rückenlehne war mit Smaragden aus Calandors Schatz besetzt. »Seid Ihr wohlauf? Wünscht Ihr Wasser? Wein? Ein Fässchen steht zu Eurer Verfügung bereit. Wir haben es beiseite geschafft, Pietre und ich.«
    »Es ist alles gut, Süße.« Es kostete große Mühe, die Mundwinkel zu etwas zu verziehen, das einem Lächeln ähnelte. Lilias schloss die Augen und sammelte ihre verbliebenen inneren Kräfte, das dünne Rinnsal Kraft, das seit Radovans Tod zurückgekehrt war. Ein kleiner Funken ließ den Soumanië aufflammen. Es war nicht viel, aber genug für das, was getan werden musste. Sie öffnete die Augen. »Tut mir einen Gefallen, ja? Ruft meine Diener zusammen. Alle,

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