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Elegie - Herr der Dunkelheit

Elegie - Herr der Dunkelheit

Titel: Elegie - Herr der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Carey
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Herzen wallte ein Gefühl auf, schmerzhaft und übergroß. Es war unsinnig. Es spielte keine Rolle. Von Dankbarkeit überwältigt, strich er mit dem Zeigefinger über die Federn des Raben. »Wie hast du mich gefunden?«
    Etwas zupfte an seinen Gedanken, ein kribbelndes Gefühl.
    Überrascht öffnete er seinen Verstand.
    Ein Flickenteppich aus Bildern überf lutete ihn: Himmel, noch mehr Himmel, andere Raben. Ein fruchtbarer Sumpf, Blätter und Borke und Käfer. Uschahin Traumspinner stand am Heck eines kleinen Bootes und kniff die ungleichen Augen zusammen. Der Kopf eines Drachen ragte hoch vor dem Himmel auf, uralt und tropfend. Dunkelheit, Dunkelheit und
Licht. Die Welt in all ihrer unendlichen Ausdehnung, aus großer Höhe betrachtet. Lachen. Das Maul eines Drachen, das sich teilte, um Feuer zu speien.
    »Das hast du gesehen?«, fragte Tanaros.
    »Krock! «
    Das verschwommene Grün des Sumpfes im Vorbeiflug, das Glitzern bronzefarbener Wasserflächen. Ein Vogelschwarm in Keilformation, eine Pause, eine Zäsur. Uschahin wischte sich den Schweiß von der Stirn. Dann Flügelschlagen. Alleinsein. Weit unten die Erde, die sich neigte, Sumpfland und fruchtbare Ebene, ein kleiner Schatten, der über den Boden glitt. Er veränderte sich, wurde größer, dann wieder kleiner. Nacht und Sterne verschwammen, dann Pausen und neuerliche Abflüge. Blauer, blauer Himmel und der Wüstenboden.
    Der Schatten blieb von gleicher Größe, blieb und blieb und blieb.
    Grün.
    Ein Durstlöscher, nein, drei! Dicke Stämme, saftige Blätter. Früchte mit grüner Rinde hingen tief herab, bis zum Bersten mit Wasser gefüllt. Der Schatten drehte ab, wurde groß, drehte dann noch einmal ab.
    Wüste, ausgedörrte Wüste unter der sinkenden Sonne.
    Tanaros und seine kleine Gruppe, aus der Luft betrachtet.
    »Oh, Bring!« Seine trockenen Augen brannten. »Hast du das gesehen? Kannst du es mir zeigen?«
    »Krock! « Hüpfend und glucksend erhob sich der Rabe von Tanaros’ Arm und schlug einen nördlichen Kurs ein.
    »Hinterher!« Tanaros nahm seine ganze Kraft zusammen und zwang sich, dem Flug des Raben zu folgen und vom Kompass seines Herzens abzulassen. Mit mächtigem Stöhnen und schlurfenden Schritten folgten ihm die Gulnagel. Speros hing bewusstlos auf Fregs Rücken, so ungelenk wie ein Sack Hirse und dreimal so schwer.
    Es war keine lange Strecke nach menschlicher Vorstellung. Wie lange dauert es, bis die Sonne ganz untergeht, nachdem der unterste Rand ihrer Scheibe den Horizont berührt hat? Eintausend Schläge eines angestrengten Herzens; dreitausend vielleicht, hier, wo die Wüste ƒlach und grenzenlos
vor ihnen lag. Als sie die Hälfte der Entfernung bewältigt hatten, sah Tanaros die Silhouetten der Durstlöscher, die sich hart und schwarz vor dem brennenden Himmel abhoben. Hoffnung keimte in seinem Herzen auf. Er legte einen stetigen Schritt vor und trieb die Gulnagel mit Lob und Flüchen weiter an. Hätten sie ihren Kurs beibehalten, wären sie südlich an dieser Stelle vorübergegangen, ohne sie zu entdecken.
    Aber dort vor ihnen war Wasser, Wasser ! Die Pflanzen speicherten es in reichlicher Menge.
    Hundert oder zweihundert Schritte lang schienen sich die Durstlöscher zurückzuziehen, als wollten sie außer Reichweite bleiben und die Wanderer foppen. Und dann waren sie dort, und Bring ließ sich auf einem dicken Stamm nieder und gab zufriedene Geräusche von sich. Der Rabe plusterte sein Gefieder auf. Ein schwindendes silbriges Licht erhellte den Horizont im Westen, und der Geruch von Feuchtigkeit lag in der trockenen Luft. Mit neu erwachter Kraft schritt Tanaros voran und zog sein Schwert, um eine grünreife Frucht von ihrem faserigen Stamm abzuschlagen; dann hielt er sie in die Höhe.
    »Hier!«, schrie er triumphierend. »Wasser!«
    Einer nach dem anderen taumelten die Gulnagel herbei, jeder mit einem Stück seiner Rüstung beladen. Sie legten ihre Last ehrfürchtig in den Sand, alle, außer dem Letzten.
    Mit schweren Schritten erreichte Freg von den Gulnagel-Fjel den Standort der Durstlöscher, Speros hing ihm mit schlaffen Gliedern wie ein Tierfell auf dem Rücken. Fregs krallenbewehrte Hände hielten die Arme des Mittländers dort fest, wo er sie um seinen Hals geschlungen hatte. Seine schlurfenden Füße hinterließen zerfallende Furchen in der trockenen Erde. Ein Schritt, dann noch einer und noch einer, wie Tanaros es vorgemacht hatte. Die Durstlöscher warfen lange Schatten über seinen Weg. Freg hatte das Gesicht zu einem

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